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NSU-Prozess: Mit Rädern auf Mordtour?

Marcel Fürstenau6. September 2013

Zeugen haben vor dem Mord an Ismail Yasar verdächtige Personen auf Fahrrädern beobachtet. Von einem anderen Tatort gibt es sogar Videobilder, auf denen wahrscheinlich die mutmaßlichen Täter zu sehen sind.

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Das ermordete NSU-Opfer Ismail Yasar. (dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Im Strafprozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) hat am Freitag eine Zeugin geschildert, wie sie kurz vor dem Mord an dem Imbiss-Betreiber Ismail Yasar (im Artikelbild) am 9. Juni 2005 zwei anscheinend ortsunkundigen Männern begegnet ist. Auf dem Weg zur Schule hätten sich die beiden Radfahrer über einen Stadtplan gebeugt. Wäre sie nicht in Eile gewesen, hätte sie die Männer sogar angesprochen, sagte die Bäckereiverkäuferin. Kurze Zeit später habe sie die Männer auf ihrem Rückweg am Döner-Imbiss wiedergesehen.

Einer habe dem anderen einen Gegenstand, der sich in einer Tüte befand, in den Rucksack gesteckt. Die Form des Gegenstands habe sie an einen kleinen Regenschirm erinnert. Es könnte die Waffe gewesen sein, mit der die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von 2000 bis 2007 acht Männer mit türkischen Wurzeln und einen Mann mit griechischem Hintergrund erschossen haben. Außerdem sollen die beiden eine Polizistin erschossen sowie zahlreiche Banküberfälle und ein Nagelbomben-Attentat in Köln verübt haben.

Ihre Komplizin Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte in München, soll zwar keines der Opfer erschossen haben, ist aber wegen ihrer aus Sicht der Anklage tragenden Rolle innerhalb des NSU-Trios trotzdem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und mehrfachen Mordes angeklagt. Die mutmaßlichen Täter Böhnhardt und Mundlos können strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, weil sie sich nach dem Auffliegen des NSU im November 2004 das Leben genommen haben.

Dass die Bombenexplosion am 9. Juni 2004 in der überwiegend von türkischstämmigen Menschen bewohnten Kölner Keupstraße auf das Konto des NSU gehen könnte, dafür spricht die Aussage der Nürnberger Zeugin. Ermittlungsbeamte zeigten ihr nach dem Mord an Ismail Yasar im Jahre 2005 Bildsequenzen einer Videokamera, die in der Keupstraße installiert war. Darauf sind ebenfalls zwei Männer mit Fahrrädern zu sehen.

Zwischenbilanz des NSU-Prozesses

Die Zeugin ist sich "ziemlich sicher", dass es dieselben Männer sind, die sie exakt ein Jahr später von Angesicht zu Angesicht in ihrer Heimatstadt Nürnberg gesehen hat. Auf den Videobildern, die nun auch im NSU-Prozess vor dem OLG München gezeigt wurden, ist unter anderem ein Mann mit einem Fahrrad zu erkennen, auf dessen Gepäckträger sich ein kleiner Koffer befindet. Wahrscheinlich befand sich darin die mit Nägeln gefüllte Bombe, die kurze Zeit später explodierte. Dabei wurden 22 Menschen zum Teil schwer verletzt.

NSU-Ausschuss fordert Reformen

Rechtsanwalt Aziz Sariyar, der die Interessen der Opfer-Familie Yasar im NSU-Prozess vertritt, sagte unter dem Eindruck der Nürnberger Zeugin und der Kölner Videoaufnahmen, man habe "Parallelen und Zusammenhänge" gesehen. Diesen Eindruck hatte auch die extra aus der Türkei zum NSU-Prozess in München angereiste Mutter des ermordeten Ismail Yasar. Die 82-jährige Selime Yasar habe auch den Tatort in Nürnberg besucht, an dem ihr Sohn erschossen wurde, berichtete Anwalt Sariyar. Durch den Aufenthalt in Deutschland habe sich ihr Bild von dem Land, in dem ihr Sohn gelebt hat und ermordet wurde, "positiv gewandelt". Sie habe viel "Fürsorge" erlebt, betonte der Anwalt.

Der schon jetzt bis Ende 2014 terminierte NSU-Prozess vor dem OLG München wird am 17. September mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.