Aus NSU-Morden mehr lernen
2. September 2013Mit sehr persönlichen Worten eröffnete der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert (CDU), die Parlamentsdebatte über die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). "Wir fühlen uns ihnen verbunden", sagte er mit Blick auf die Zuschauertribüne, auf der zahlreiche Angehörige der im Zeitraum von 2000 bis 2007 zehn Ermordeten saßen. Acht Opfer hatten türkische Wurzeln, außerdem starben ein griechischstämmiger Mann und eine Polizistin.
Er wünsche sich, dass die ernsthafte Aufklärung des parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschusses dabei helfe, die Opfer und Angehörigen in ihrer Trauer und ihrem Leid nicht allein zurückzulassen. Ausdrücklich entschuldigte sich Lammert bei ihnen dafür, dass einige Angehörige selbst der Taten verdächtigt worden seien. "Die Grundrechte in diesem Land hätten für jeden Gültigkeit, egal welcher Herkunft er ist", sagte Lammert in Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel und vielen anderen hochrangigen Vertretern aus Politik und Gesellschaft.
Lob für den NSU-Untersuchungsausschuss
Lammert würdigte die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses, der am 22. August nach gut eineinhalb Jahren seinen Abschlussbericht vorgelegt hatte. Der Vorsitzende des Gremiums, Sebastian Edathy (SPD), lobte den fraktionsübergreifenden Konsens. Die Stärke des Rechtsstaates sei nicht Fehlerfreiheit, sondern Fehler zu erkennen, zu analysieren "und dafür Sorge zu tragen, dass sie sich nicht wiederholen können", betonte der Sozialdemokrat angesichts des Versagens der Sicherheitsbehörden. Polizei und Verfassungsschutz hatten die wahren Hintergründe der NSU-Mordserie jahrelang übersehen. Das Auffliegen der Terrorgruppe im November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach war eher zufällig.
Clemens Binninger (CDU) sagte, das Versagen beim NSU sei nicht nur eine Niederlage der Sicherheitsbehörden, sondern eine Niederlage "für die ganze Gesellschaft". Die Kritik richte sich zwar hauptsächlich an Polizei, Nachrichtendienste und Justiz. Aber auch Politiker und Medien hätten allen Grund, sich selbst den Spiegel vorzuhalten: "Wer von uns hat jemals daran gedacht, es könnten Rechtsextremisten sein?", fragte der Christdemokrat in Bezug auf die Täter der Mordserie.
Linke für Auflösung des Verfassungsschutzes
Die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss forderte die Abschaffung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern. Er sei "weder kontrollierbar noch reformierbar", sagte Pau. Von einem gravierenden Vertrauensverlust in die Sicherheitsdienste sprach der Liberale Hartfrid Wolff. "Weshalb wurden welche Akten gelöscht?", fragte der FDP-Obmann mit Anspielung auf das Vernichten von Unterlagen beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu einem Zeitpunkt, als der NSU bereits aufgeflogen war.
Wolfgang Wieland von den Grünen kritisierte, es habe eine Art "Staatsdoktrin" gegeben, der zufolge rechtsextremistische Anschläge stets von Einzeltätern begangen würden. Seines Erachtens müsse das Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus verbessert werden. Nötig sei ein intensiverer Dialog über die Ursachen von Rassismus.