1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Noch mehr Mauern gegen Flüchtlinge?

Robert Schwartz31. August 2015

Tausende Flüchtlinge folgen der "Balkanroute", um ein Leben ohne Krieg oder Armut zu finden. Und wenn Grenzzäune ihren Weg erschweren, versuchen sie, diese zu überwinden. Oder sie suchen neue Routen.

https://p.dw.com/p/1GObI
Flüchtlinge am Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images/M. Cardy

Der 175 km lange Stacheldrahtzaun an der ungarisch-serbischen Grenze steht, zwei Tage vor der geplanten Fertigstellung. Die Regierung in Budapest ist stolz - und gut zwei Drittel der Ungarn stimmen der Maßnahme zu. Die Flüchtlinge zeigen sich bislang kaum beeindruckt von der Sperranlage und finden immer wieder Schlupflöcher. Bis Ende Oktober soll ein zweiter, diesmal vier Meter hoher Zaun das Land und die Europäische Union vor Flüchtlingen schützen. Die Staaten in der Region beäugen diese Entwicklung sehr genau. Sie befürchten, dass jetzt Tausende von Flüchtlingen neue Routen suchen werden und zu ihnen kommen.

Schon letztes Jahr hat Bulgarien an seiner südöstlichen Grenze zur Türkei einen 30 km langen Zaun errichtet, um syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufzuhalten. Jetzt soll dieser Schutzwall auf 160 km verlängert werden. Auch an seiner südwestlichen Grenze zu Mazedonien rüstet Bulgarien auf. Wegen der Flüchtlingskrise im Nachbarland wurden Soldaten und Panzerfahrzeuge in das Grenzgebiet geschickt. Die Regierung rechtfertigt den Einsatz und spricht von einer "Vorsorgemaßnahme" zur verstärkten Bewachung der Übergänge. Noch bleibt der große Ansturm aus, aber die Stimmung im Land ist gereizt. Ministerpräsident Bojko Borissow verteidigte das Vorgehen an der Grenze zu Mazedonien: "Die Soldaten sind dort, um Respekt zu verbreiten, um zur Sicherheit der lokalen Bevölkerung beizutragen".

"Präventiver Ausbau" der Flüchtlingsunterkünfte

In Rumänien wurde letzte Woche eine Dringlichkeitssitzung des Nationalrats für Notfälle einberufen. Innenminister Gabriel Oprea kündigte verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an der fast 550 km langen rumänisch-serbischen Grenze an. Rumänien stehe zwar noch nicht unter "Migrationsdruck", doch müsse es wegen der "wachsenden Dynamik des Flüchtlingsstroms Sicherheitsrisiken möglichst begrenzen", sagte Oprea. Deshalb sei sowohl der "präventive Ausbau“ der Flüchtlingsunterkünfte als auch die Umsetzung "weiterer Maßnahmen des nationalen Sicherheitsplans" beschlossen worden. Rumänien verfügt derzeit über sechs Unterkünfte für Asylbewerber mit einer Aufnahmekapazität von rund 1.500 Plätzen. Diese sind nach offiziellen Angaben zu 20 Prozent ausgelastet.

Sicherheitszaun an der Grenze Bulgariens zur Türkei (Foto: dpa)
Bulgarien hat schon 2014 an seiner südöstlichen Grenze zur Türkei einen Zaun errichtetBild: picture-alliance/dpa/V. Donev

Die kroatischen Behörden sehen derzeit auch "keine erhöhte Gefahr einer Flüchtlingswelle", so die offizielle Position des Innenministeriums. Analysten behaupten aber, dass Kroatien sehr wohl zu einer "alternativen Route" werden könnte, falls die Flüchtlinge nicht über die serbisch-ungarische Grenze den Schengen-Raum erreichen würden.

Die kroatische Regierung hat keinen konkreten Plan für die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge, so Premierminister Zoran Milanovic. Die EU habe solch einen Plan auch nicht. Man sei aber grundsätzlich bereit, auch aufgrund der eigenen Erfahrung (aus dem Krieg Anfang der 1990er Jahre, als Hunderttausende Kroaten auf der Flucht waren), solidarisch zu sein mit den Menschen, die Solidarität brauchten - "im Rahmen der eigenen Möglichkeiten".

Findet das ungarische Beispiel Nachahmer?

Bulgarien, Rumänien und Kroatien gehören noch nicht zur Schengen-Zone, die einen freien Personenverkehr ohne Grenzkontrollen vorsieht. Deshalb, so die Einschätzung der Analysten in diesen Ländern, sind sie auch weiterhin unattraktiv für Flüchtlinge. Die Slowakei hingegen gehört zu Schengen und könnte somit eine Alternative werden, glaubt man in Bratislava. Sollten die Flüchtlinge auf den bisherigen Routen nicht mehr durchkommen, wäre die fast 100 Kilometer lange Grenze zur Ukraine die nächste Möglichkeit, in die EU zu gelangen. Am Freitag soll deshalb ein Treffen der sogenannten Visegrad-Staaten in Prag stattfinden. Die Regierungschefs der vier mittel-osteuropäischen EU-Mitglieder Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien wollen nach Angaben des slowakischen Premiers Robert Fico ihr "Vorgehen in der Flüchtlingsfrage" abstimmen. Man darf gespannt sein, ob das ungarische Beispiel Nachahmer findet.

In all diesen Ländern wird über das Thema kontrovers diskutiert. Eine noch kleine Minderheit schürt derzeit Ängste vor einem "Terroristen-Import mit den Flüchtlingen" und einer Islamisierung der Gesellschaft. Extremistische und nationalistische Politiker heizen die Diskussion an. Noch ist der große Teil der Bevölkerung in diesen Staaten bereit, humanitäre Hilfe zu leisten. Wenn es jedoch um die Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder geht, werden viele Menschen in Südosteuropa skeptisch. "Uns geht es schon viel schlechter als den Westeuropäern, den armen Flüchtlingen wird es hier auch nicht besser gehen" - ungefähr so heißt es oft. Das wissen auch die Menschen aus Afrika und dem Mittleren Osten, die dem Elend zu Hause entkommen wollen. Deshalb dürften sie auch weiterhin mit allen Mitteln versuchen, ihr Ziel zu erreichen. Und das heißt für viele: Deutschland.