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Noch Luft nach oben

Olivia Fritz18. Oktober 2013

Die deutsche Fußball-Nationalelf steht nach erfolgreicher WM-Qualifikation glänzend da: Das WM-Ticket war schon vor dem abschließenden Spiel in Schweden gelöst. Doch trotzdem gibt es noch einige Baustellen.

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Deutsche Spieler jubeln (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach dem abschließenden Gruppenspiel der WM-Qualifikation in Schweden bleiben Bundestrainer Joachim Löw und der deutschen Nationalmannschaft nun noch acht Monate bis zur WM. Stand heute gibt es nur wenige Dinge, über die sich Löw ernste Sorgen machen muss. Bereits vorzeitig hatte sein Team durch das 3:0 über Irland am vorletzten Spieltag die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien im kommenden Jahr perfekt gemacht und sich so für die Arbeit der vergangenen Monate belohnt. "Wir haben eine sehr gute Nationalmannschaft und wir können sehr froh sein in Deutschland, dass wir wieder die Chance haben, um den Titel mitspielen zu können", sagt der ehemalige Welt- und Europameister Andreas Möller im Gespräch mit der DW.

Auch Bundestrainer Joachim Löw ist zufrieden: "Wir haben eine sehr gute Qualifikation gespielt, die Mannschaft hat ihre Pflicht erfüllt. Wir sind von Beginn an in unserer Gruppe vorneweg marschiert." Einziger Makel war das kuriose Hinspiel gegen die Schweden im vergangenen Oktober: Den schon sicher geglaubten Sieg schenkte die deutsche Elf nach einer 4:0-Halbzeitführung noch her. In den letzten 30 Minuten kassierte sie noch vier Tore und musste sich mit einem 4:4-Unentschieden begnügen. Alarmzeichen gab es zwischendurch außerdem bei diversen Freundschaftsspielen mit überraschend vielen Gegentoren, zum Beispiel gegen die USA (3:4) oder gegen Paraguay (3:3).

Schwedens Johan Elmander (l) schießt das 3:4 (Foto: dpa)
Schon wieder drin: Deutschland spielte im Oktober 2012 gegen Schweden - trotz 4:0-Führung - nur 4:4Bild: picture-alliance/dpa

Von Kantersiegen und falschen Neunern

Anders sieht es vorne aus: 36 Tore hat die deutsche Elf in den zehn Qualifikationsspielen erzielt. Es gab Kantersiege wie das 6:1 über Irland am 3. Spieltag, das 4:1 über Kasachstan am 6. Spieltag oder zum Abschluss das 5:3 in Schweden. Das Lieblings-Ergebnis dieser Qualifikation lautete 3:0. Doch es gab auch viele zähe Spiele, wie zuletzt der Beginn gegen Irland, in denen klar wurde, woran es noch hapert: An der Chancenverwertung vor dem Tor und - auch gegen "Fußballzwerge" wie Irland - an erstklassiger Abwehrarbeit.

Weil die beiden Stammstürmer Miroslav Klose und Mario Gomez verletzt ausfielen, behalf sich Löw zuletzt mit "falschen Neunern", Spielern, die eigentlich keine gelernten Mittelstürmer sind. Gegen Irland hatte Mesut Özil diese Aufgabe, ein hoch talentierter Mittelfeldstratege, der seine Fußballkunst nur aufblitzen ließ, als er sich die Bälle aus dem Mittelfeld holte. Ein Sturm-Problem sieht der Bundestrainer dennoch nicht. Mit Max Kruse, Marco Reus, Thomas Müller, Mario Götze und Özil hat er viele Alternativen in seinem Kader, die nach seiner Ansicht den offensiven Part ganz vorne ausfüllen können. Eine Berufung des Bundesliga-Torschützenkönigs Stefan Kießling von Bayer Leverkusen kommt für Löw daher bislang nicht in Frage.

Dennoch: "Beim Spiel im letzten Drittel, da können wir uns auch noch verbessern", analysierte Löw, der auch den zweiten Schwerpunkt nannte: die gesamte Defensive. Dort offenbarte nicht nur die Innenverteidigung um Mats Hummels, der seinen Startelfplatz räumen musste, Schwächen. Auch Torwart Manuel Neuer zeigte sich zuletzt bei seinen Ausflügen aus dem Strafraum alles andere als sattelfest. Seine Klasse wird Neuer, der wie Mesut Özil und Thomas Müller in allen zehn Qualifikationsspielen zum Einsatz kam, in Brasilien unter Beweis stellen müssen.

Mesut Özil und Marco Reus (Foto: AP)
Die erfolgreichsten Torschützen: Mesut Özil (l.) und Marco ReusBild: dapd

Konkurrenzkampf entbrannt

Neben den "Legionären" Özil, Sami Khedira und Per Mertesacker bilden zwei Spielerblöcke von Bayern München (Lahm, Schweinsteiger, Neuer, Kroos, Boateng) und Dortmund (Reus, Gündogan, Schmelzer, Hummels) den Kern der Nationalelf. "Borussia Dortmund und Bayern München sind aktuell die zwei besten Mannschaften in Deutschland", kommentiert Andreas Möller gegenüber der DW. "Ich denke, das ist legitim, dass man aus diesen beiden Vereinen den Stamm der Nationalmannschaft bildet. Es gibt immer wieder Überraschungen, andere Spieler, tolle Talente, die dazustoßen, die das Ganze ergänzen. Aber es ist mit Sicherheit kein Nachteil, wenn man auf die Spieler dieser zwei Vereine zurückgreift."

Insgesamt können sich momentan wohl rund 40 Spieler Hoffnungen auf die Brasilien-Reise machen. Viele haben ihren Platz schon sicher, sollten sie sich nicht verletzen. "Ob das 15, 16, oder 19 sind, kann ich nicht genau sagen", erklärte Löw. "Das wäre zu diesem Zeitpunkt nicht seriös." Noch bleibt dem Bundestrainer Zeit, den endgültigen Kader wird er voraussichtlich erst Mitte Mai bekanntgeben. "Unsere Philosophie war immer, dass wir 30 Spieler brauchen, die für die Nationalmannschaft spielen können, und nicht nur 15 oder 20, weil es immer wieder Verletzungen geben kann. Wir brauchen diesen Konkurrenzkampf."

Wenig Zeit zum Testen

So dürften sich vor allem die jungen Spieler wie Kruse, Julian Draxler oder Sidney Sam angesprochen fühlen, die weiter Druck auf den Stammkader ausüben wollen. Die linke Mittelfeldseite ist ebenfalls stark umkämpft, hier drängen die zuletzt verletzten Reus und Lukas Podolski zurück ins Team. Und auch auf der Torwartposition ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zwar sitzen mit Manuel Neuer und René Adler zwei Keeper fest im Sattel, dahinter aber drängen sich die überdurchschnittlich Begabten geradezu auf: Ron-Robert Zieler (Hannover), Marc-André ter Stegen (Mönchengladbach) und Bernd Leno (Leverkusen) hätten allemal die Klasse, als Nummer drei mit zur WM zu fahren. Zudem ist schon länger die Rede davon, dass auch Dortmunds Roman Weidenfeller die Möglichkeit zum Vorspielen bekommen soll.

Allerdings wird die Zeit knapp: Nur drei Gelegenheiten zum Testen bleiben dem Bundestrainer vor der Nominierung des WM-Kaders noch: Im November wird es Länderspiele gegen Italien (15.11. in Mailand) und voraussichtlich gegen England (19.11. in London) geben. Im WM-Jahr kommt außerhalb der direkten WM-Vorbereitung nur noch ein Testspiel gegen Chile hinzu (05.03. in Stuttgart). Nicht viel Zeit, um möglichen Alternativspielern noch eine große Chance zu bieten sich in den WM-Kader zu spielen. Zumal es genauso wichtig sein wird, dass die Stammelf für Brasilien sich einspielt.