Papst empfängt Skandal-Bischof
21. Oktober 2013Eine gute Woche musste Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in Rom schmoren, bis der Papst ihn für 20 Minuten anhörte. Vor dem Gespräch in Rom hatte bereits der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner eine Privataudienz bei Franziskus. Journalisten hatten Tebartz-van Elst zuvor vergeblich nachgestellt. Ein Foto oder ein Interview ließ sich nicht ergattern. Zwischenzeitlich stieg der innerkirchliche und politische Druck. Rücktrittsforderungen wies Tebartz-van Elst zurück. Offenbar, so spekulierten Zeitungen, hoffte der Bischof noch, aus der Schusslinie zu geraten. Dies wäre der Fall, je mehr über die Mitverantwortlichkeit von Aufsichtsgremien für die hohen Baukosten des Limburger Bischofssitzes in die Öffentlichkeit dringt. Mindestens 31 Millionen Euro soll das Bauwerk gekostet haben.
Was wusste der Papst?
War der Vatikan über die Höhe der zu erwartenden Baukosten im Bilde? Ist die Empörung mancher Kirchenmänner gar scheinheilig? Klar scheint, dass der Vatikan wesentliche Details des bischöflichen Bauprojektes kannte. Aus einem Sitzungsprotokoll, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, geht hervor, dass der Apostolische Nuntius in Deutschland, also der Botschafter des Vatikans, schon vor dem Baubeginn im Jahr 2010 über die insgesamt zehn Bauprojekte informiert war. Nuntius Erzbischof Claude Perisset habe dieser Aufteilung, die auch in der Sache begründet gewesen sei, ausdrücklich zugestimmt, heißt es in dem Papier vom 28. August 2013. Der Nuntius sei später selbst vor Ort gewesen und habe dieses Vorgehen nochmals bestätigt.
Was also wusste der Papst? Und warum ist das wichtig? Rechtsgeschäfte der katholischen Kirche, die mehr als fünf Millionen Euro kosten, müssen vom Vatikan genehmigt werden. In Medienberichten war spekuliert worden, Tebartz-van Elst habe diese Pflicht umgangen und die Kirchenleitung ausgetrickst. Dieser Vorwurf scheint aus der Welt. Doch könnte das der Grund sein, warum Papst Franziskus im Bistum Limburg so spät durchgriff? Hatte er eine wohlbegründete "Beißhemmung", wie Kirchenmänner vermuten, die ungenannt bleiben wollen.
Klar ist: Bis zum Gespräch hat sich Tebartz-van Elst geweigert, sein Amt freiwillig aufzugeben. Insider mutmaßen, der Papst und der Kölner Kardinal Meisner könnten dem Bischof einen Rücktritt nahegelegt haben. Meisner, zu dessen Kirchenprovinz auch das Bistum Limburg zählt, hatte lange seine schützende Hand über Tebartz-van Elst gehalten. Als die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl gegen den Limburger Bischof beantragte, änderte Meisner seine Haltung.
Für eine Amtsenthebung durch Papst Franziskus muss es schwerwiegende Gründe geben: Entweder Tebartz-van Elst erweist sich als krank. Oder er hat gegen Kirchenrecht verstoßen. Letzteres müsste der Vatikan beweisen. Dies könnte mit Hilfe eines Prüfberichts gelingen. Die Deutsche Bischofskonferenz lässt seit einigen Tagen das Finanzgebaren im Bistum Limburg kontrollieren.
Womit erregte Tebartz-van Elst so viel Unmut?
Rückblende: Bereits Anfang 2012 geriet der Limburger Bischof mit einem Flug nach Indien in die Schlagzeilen: Er sei zur Unterstützung sozialer Projekte nach Bangalore gereist, sagte er nach seiner Rückkehr, um Kindern zu helfen, "die in Steinbrüchen tätig sind". Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" fand heraus: Franz-Peter Tebartz-van Elst war erster Klasse geflogen - "First Class in die Slums", titelte denn auch der "Der Spiegel".
Im Sommer 2013 sickerten dann Einzelheiten über den Neubau des Bischofssitzes in Limburg durch: Statt der ursprünglich veranschlagten 5,5 Millionen Euro standen plötzlich Kosten in Höhe von knapp 10 Millionen Euro im Raum. Deutsche Medien bohrten nach - und kamen zu dem Schluss, dass die Kosten noch viel höher liegen müssen.
Die auflagenstärkste deutsche Boulevard-Zeitung "Bild" veröffentlichte eine Preisliste von Sonderwünschen des "Protz-Bischofs": 15.000 Euro für eine frei stehende Badewanne, 100.000 für einen hängenden Adventskranz, 450.000 für Kunstwerke, knapp 800.000 für einen Garten und 2,3 Millionen für einen Lichthof… Einiges davon hatte Tebartz-van Elst erst spät in Auftrag gegeben, sodass bereits fertig gestellte Decken und Böden wieder aufgerissen werden mussten. Mittlerweile hat das Bistum die Ausgaben für den Bischofssitz mit 31 Millionen Euro beziffert - was, so wird spekuliert, auch noch nicht alle Kosten einschließt.
Tebartz-van Elst in Erklärungsnot
Gegen den "Spiegel" ging der Bischof wegen des Berichts über die Indien-Reise juristisch vor. Er behauptete, Business Class geflogen zu sein, was er später zurücknehmen musste. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl gegen ihn wegen falscher eidesstattlicher Versicherung beantragt.
Mitte Oktober reiste der Bischof nach Rom. Zum Abschied sagte er, die Entscheidung über seinen Dienst liege "in den Händen des Papstes".
Gläubige in großer Sorge
Nach den Medienberichten über die Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes schlossen sich führende Katholiken des Bistums im August 2013 in Frankfurt zusammen. Ihr offener Brief wurde im Frankfurter Dom verlesen - unter großem Beifall. "Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen", hieß es da. Die Zuspitzung der Vertrauenskrise im Bistum sehe man "mit großer Sorge", es sei Zeit, "Fehlentwicklungen zu benennen und auf Änderung hinzuwirken". Rücktrittsforderungen machten die Runde, zum Beispiel von der größten Laienorganisation, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Präsident Alois Glück brachte es Anfang Oktober auf den Punkt: "Viele in der Kirche erwarten einen Rückzug."
In der vergangenen Woche stieg auch die Zahl der Kirchenaustritte. Allein in der Stadt Limburg kehrten innerhalb von zwei Tagen 50 Gläubige der katholischen Kirche den Rücken - normalerweise sind es nur eine Handvoll pro Woche.
Und auch die katholischen Hilfswerke bekommen den Ärger der Gläubigen zu spüren, vor allem der Dachverband Caritas: Nach Angaben des Deutschland-Chefs Peter Neher haben zahlreiche Spender unter Hinweis auf das Finanzgebaren des Limburger Bischofs angekündigt, der Hilfsorganisation künftig kein Geld mehr zukommen zu lassen.
Wie verhielt sich die katholische Amtskirche?
Der Vatikan schaltete sich Mitte September 2013 ein: Papst Franziskus entsandte Kardinal Giovanni Lajolo nach Limburg, der sich eine Woche lang ein Bild der Situation machen konnte. Tebartz-van Elst stimmte einer Prüfung der Baukosten zu. Details wurden nach dem Besuch nicht bekannt. Mit der auf Empfehlung von Lajolo berufenen Kommission zur Überprüfung der Baukosten erfüllt die Bischofskonferenz zudem genau die Vorschriften Roms.
Die deutschen Bischöfe stärkten ihrem Limburger Kollegen lange Zeit den Rücken - ging danach allerdings größtenteils zunehmend auf Distanz. Es mehrten sich kritische Stimmen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "gewaltigen Glaubwürdigkeitsproblem", die gesamte Katholische Kirche in Deutschland trage den Schaden.