Alltag einer katholischen Kirchengemeinde
20. Oktober 2013Sonntagmittag, 12 Uhr vor der Kirche St. Peter im Bonner Stadtteil Vilich. Die Heilige Messe ist vorbei, Küsterin Halina Gola erneuert die Kerzen am Altar. Die Kirchenbesucher strömen aus dem denkmalgeschützten Bau. Diesmal sind es rund 100, weniger als sonst. Vor allem Kinder sind kaum zu sehen. Viele von ihnen sind über die Herbstferien verreist.
Am Ausgang stehen Julian Pitzen und Michael Hildebrand, zwei junge Männer in weißen Gewändern. Die Messdiener verteilen Kirchennachrichten an die Gemeindemitglieder. Ob sie das gerne tun? Klar, sagt Julian Pitzen. Der 21-Jährige arbeitet tagsüber, studiert an der Abendschule Elektrotechnik und engagiert sich am Sonntag in der Kirche. Warum? "Das macht einfach Spaß", sagt er. Vor allem die vielen Ausflüge, die die Messdiener gemeinsam veranstalten, gefielen ihm noch immer. Allerdings merke man schon, dass immer weniger Jugendliche in die Kirche gehen.
Vilich ist nicht Limburg
Als letzter tritt Pfarrer Michael Dörr aus der Kirche. Der Mittfünfziger wirkt mit seinem Haarkranz und dem warmen Lächeln ein wenig wie ein Mönch. Er schüttelt Hände, verabschiedet die Gottesdienstbesucher. In Vilich sind die 3600 Gemeindemitglieder froh über ihren Pfarrer, der menschlich und bescheiden ist, wie sie sagen. Er sei anders als manche andere Würdenträger der katholischen Kirche, wirft Beate Roll vielsagend ein. In der Gemeinde ist sie für die Betreuung der Erstkommunionskinder zuständig und macht keinen Hehl daraus, dass ihre Kritik auf den Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst im hessischen Limburg zielt.
Dessen Amtsführung wird seit Wochen von Medien und Öffentlichkeit diskutiert, unter anderem, weil die Baukosten des neuen Bischofssitzes innerhalb von wenigen Jahren von fünf auf 31 Millionen Euro stiegen. Seit einer Woche weilt er in Rom, einen Rücktritt lehnt er bisher ab. Am Montag (21.10.2013) erhielt er endlich eine Audienz beim Papst. "Klar diskutieren wir auch in der Gemeinde darüber", sagt Beate Roll und ärgert sich: "Wenn das unser Bischof wäre, dann würde ich seine Messen nicht besuchen. Das geht ja gar nicht!" Die Meinung teilten viele in der Vilicher Kirchengemeinde. Damit ist das Thema für Beate Roll aber auch schon abgehakt. "Schwarze Schafe gibt es überall, in der freien Wirtschaft und leider auch in der Kirche", sagt Roll.
Gemeindemitglieder helfen alten Menschen beim Essen
Der Begeisterung und dem Engagement der Gemeindemitglieder im nordrhein-westfälischen Vilich tut der Limburger Skandal keinen Abbruch. "Manchmal", sagt Pfarrer Dörr, "glaubt man ja fast gar nicht, was sie alles tun." Es war der Neujahrstag dieses Jahres, als er im Altenheim nach dem Rechten sah. Einige seiner Gemeindemitglieder waren schon da und halfen den Bewohnern beim Essen. "Selbst am Feiertag", bemerkt der Pfarrer. Ilsa Stodollik ist eine der Frauen, die sich um die älteren Gemeindemitglieder kümmern. "Sonntags zwischen acht und zwölf bin ich bei ihnen", sagt sie. Sie holt die Menschen aus dem Heim ab, geht mit ihnen in die Messe und hilft ihnen danach beim Essen. "Wenn mein Mann mitspielt, der kocht nämlich für mich", sagt sie und lacht. Das Gemeinschaftsgefühl sei das, was die Vilicher Katholiken eng an ihre Gemeinde bindet. Viele fühlten sich verpflichtet, mehr zu tun, als die Messe am Sonntag zu besuchen.
Und das liegt nicht zuletzt an Pfarrer Dörrs eigenem Engagment. Der betreut neben St. Peter noch zwei weitere Kirchen - mit dem Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Wie viele andere Gemeinden in Deutschland hat auch Vilich Personalprobleme. "Viele denken, dass wir ein gemütliches Leben führen und nur am Sonntag arbeiten", sagt Dörr und muss lächeln. Unter der Woche finden viele Taufen statt. Auch Beerdigungen gehören zum Arbeitsalltag des Pfarrers. Dienstags, mittwochs und donnerstags feiert er weitere Gottesdienste. Urlaub steht einem Pfarrer zwar zu, wie jedem anderen Angestellten. "Viel Zeit habe ich dafür aber nicht", sagt Dörr. Nur zwei Wochen waren es in diesem Jahr.
Angestellte in der Kirchengemeinde haben einen freien Tag pro Woche
Frei haben die Mitarbeiter der Gemeinde jeden Montag, wenn es der Terminplan zulässt. "Manche Familien wollen unbedingt an einem Montag Beerdigungen ausrichten", sagt Pfarrer Dörr. In solchen Fällen fragt er seinen Kirchenmusiker, ob dieser einspringen kann.
Pfarrer Dörr ist am Sonntagnachmittag inzwischen in sein Büro zurückgekehrt. Wenn die Messe vorbei ist, hat er meist etwas Ruhe. Jetzt, da seine Sekretärin im Urlaub ist, geht er trotzdem zuerst in ihr Büro und sieht nach dem Anrufbeantworter. Ein entgangener Anruf. Auf einem Gelände, das der Kirche gehört, liegt Müll. Jemand solle bitte aufräumen. Pfarrer Dörr seufzt und löscht die Nachricht: "Darum kümmere ich mich morgen."