Nigers Wahlkampf spannend wie nie
14. Februar 2016Eröffnung einer neuen Straßenkreuzung mit Hochbrücke, Einweihung einer Eisenbahnlinie, Schulbauten, Bewässerungsprojekte: Nigers Präsident Mahamadou Issoufou und seine Minister hatten in den letzten Wochen alle Hände voll zu tun. Noch vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfes am 31. Januar sollten Radio und Fernsehen möglichst ohne Pause von den Wohltaten berichten können, die die Regierung dem Land seit der letzten Wahl 2011 gebracht habe.
15 Kandidaten bewerben sich am 21. Februar um die Präsidentschaft. Präsident Issoufou möchte eine zweite Amtszeit. Außerdem können die Nigrer ein neues Parlament wählen. Doch über die konkreten Programme der Kandidaten konnten die Wähler bisher wenig erfahren. Stattdessen stritten sich Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft darüber, ob geordnete Wahlen überhaupt möglich sind.
Prominente Oppositionspolitikerin macht nicht mit
Eine der wenigen Frauen unter den nigrischen Spitzenpolitikern tritt deshalb dieses Mal gar nicht erst an. Mariama Gamatié Bayard war 2011 die erste und bisher einzige Frau, die sich für das Präsidentenamt bewarb. Sie ist noch immer eine der prominentesten Stimmen der Opposition. Eine Basis für eine faire Auseinandersetzung sieht sie bei diesen Wahlen nicht: "Deshalb habe ich beschlossen, dass ich mich nicht als Statistin zur Verfügung stelle, um das Bild zu schönen", sagt sie im DW-Interview. "Ich will nicht dabei sein, damit man sagen kann, ja, da ist auch eine Frau."
Wichtigster Streitpunkt: das Wählerverzeichnis. Die Registrierungsbehörde hatte zeitweise ein solches Chaos geschaffen, dass selbst Mitglieder der Regierungsparteien wütend wurden. Erst Anfang Januar gelang es der Organisation der Frankofonie, zu vermitteln. Insgesamt finden sich nun 7,5 Millionen Namen auf den Listen. Niger hat eine sehr junge Bevölkerung, mehr als die Hälfte seiner geschätzt 18 Millionen Einwohner ist zu jung zum Wählen.
Ein wichtiger Kandidat sitzt in Haft
Oppositionelle wie Mariama Bayard kritisieren auch, dass die Regierung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutze, um der Opposition den Wahlkampf zu erschweren. Während das einflussreiche Staatsfernsehen fast nur über die Aktivitäten der Regierungsmitglieder berichtet, gerieten oppositionelle Medien ins Visier der Justiz. Oppositions-Demonstrationen wurden mehrfach verboten, angeblich aus Sicherheitsgründen. Zentraler Aufreger der Vorwahlzeit ist allerdings die Inhaftierung eines der wichtigsten Oppositionskandidaten.
Hama Amadou, einst Parlamentspräsident und Chef der Partei "MODEN-FA Lumana", sitzt seit November in Untersuchungshaft. Er soll Teil eines Babyhändler-Rings gewesen sein. Trotzdem hat das Verfassungsgericht seine Kandidatur zugelassen. "Die Verbissenheit, mit der er verfolgt wird, geht weit über das übliche Maß hinaus", kritisiert sein Anwalt Boubacar Mossi, der auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Lumana im Parlament ist: "Das ist politische Verfolgung. Und es trifft ja auch seine Unterstützer. Alle Führer der Lumana aus ihren Hochburgen sitzen derzeit im Gefängnis!" Und Mossi weist darauf hin, dass alle anderen Hauptverdächtigen im Skandal um den vermeintlichen Baby-Handel gegen Kaution freigelassen wurden.
Justizminister Marou Amadou, selbst ein früherer Menschenrechtler, will dagegen von unzulässiger staatlicher Einflussnahme auf Medien und Justiz nichts wissen: "Wenn ein Politiker in den Handel mit ausländischen Kindern verwickelt ist, dann muss er verfolgt werden, unabhängig von seiner Person", betont Amadou im Gespräch mit der DW. Und mit Blick auf die Medien erklärt er, dass kein Journalist wegen seiner Arbeit belangt worden sei. Wer aber zu ethnischem Hass aufstachele oder die öffentliche Ordnung gefährde, müsse sich vor dem Gesetz verantworten.
Spannungsgeladene Stimmung
Die Stimmung sei spannungsgeladen wie selten vor einer Wahl im Niger, da sind sich die meisten Beobachter und Akteure einig. Zum offiziellen Auftakt des Wahlkampfes am 31. Januar goss die Regierung zusätzliches Öl ins Feuer. Sie erklärte, dass Präsident Issoufou schon im ersten Wahlgang gewinnen könne. Diese Zuversicht erscheint nicht nur Anhängern der Opposition gewagt - der Frust über die dürftige Bilanz nach fünf Jahren Issoufou ist überall im Land zu spüren. Seini Oumarou, der Kandidat der größten Oppositionspartei, der "MNSD Nasara", sieht denn auch sein Misstrauen gegenüber der Regierungsseite bestätigt. Keine Partei sei stark genug, um im ersten Wahlgang zu gewinnen: "Das wissen auch die Regierenden. Wenn nun also eine Partei schon aus dem ersten Wahlgang als Sieger hervorgehen sollte, dann würde das zu - sagen wir - Problemen führen", so Oumarou.
Der Oppositionsführer schürt somit die Ängste vieler Nigrer, dass es erstmals nach Wahlen zu Gewalt kommen könnte. Auch namhafte Vertreter der Zivilgesellschaft wie der Bürgerrechtler Moussa Tchangari bestätigen, dass eine Wahl noch nie so viel Angst ausgelöst habe. Die Auseinandersetzung sei inzwischen unter der Oberfläche auch deutlich ethnisch geprägt. Präsident Issoufou gehört dem großen Haussa-Volk an, Hama Amadou gilt als Vertreter der Djerma.
Ein Auseinanderbrechen der nationalen Einheit, auf die viele Nigrer sehr stolz sind, sieht aber auch Tchangari nicht als unmittelbare Gefahr: "Aber es gibt Leute, die in diese Richtung tendieren, auch als Folge der harten Konfrontation zwischen den Regierenden und der Partei Hama Amadous. Mit seiner Verhaftung ist diese Art des Diskurses tatsächlich aufgebrochen." Tchangari hofft, dass die Nigrer am Ende politische Reife zeigen und ihrem Frust mit dem Wahlzettel an der Urne Luft machen – und nicht mit lautem Protest oder Gewalt.
Bürger haben andere Sorgen
Über den Streit zwischen Regierung und Opposition schütteln viele Bürger nur den Kopf. Adamou Chaibou ist der Chef der Motorradtaxi-Gewerkschaft in der Stadt Konni, direkt an der Grenze zum großen Nachbarn Nigeria. Er wünscht sich vor allem, dass die Politiker seine konkreten Probleme lösen. Immerhin sei die Arbeit als Motorradtaxifahrer vor allem für Jugendliche ein Ausweg aus Armut und Kriminalität, betont Chaibou: "Bisher haben wir für unser Geschäft von den Politikern überhaupt keine Hilfe bekommen. Wir hoffen, dass Gott uns Politiker beschert, die unser Metier unterstützen."