Biafra-Aktivisten hoffen auf Trump
23. Januar 2017Sie nennen sich "Indigenous People of Biafra" (IPOB) - die "indigene Bevölkerung Biafras". Seit gut einem Jahr kommt es immer häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Aktivisten und der Polizei. So auch am vergangenen Freitag - am Tag der Amtseinführung von Donald Trump - in der südostnigerianischen Ölmetropole Port Harcourt. Es habe einen unangemeldeten Protestmarsch gegeben, heißt es von Seiten der Polizei. Sie setzte Tränengas ein und verhaftete 65 Teilnehmer.
Schon früh hatte sich die IPOB im Rennen um die US-Präsidentschaft hinter Donald Trump gestellt. Die Bewegung hofft, dass Trump ihr Streben nach Unabhängigkeit unterstützt. Seit dem Brexit-Referendum, in dem die Briten für den Austritt aus der EU votierten, fordern die Aktivisten noch lauter einen "Biafrexit" - die Abspaltung des Gebiets, das sie Biafra nennen, von Nigeria.
"Befreiung aus der Zwangsjacke"
1967 hatte der rohstoffreiche Landesteil im Südosten Nigerias als "Republik Biafra" seine Unabhängigkeit erklärt. Doch nach drei Jahren blutiger Auseinandersetzungen wurde Biafra wieder in Nigeria eingegliedert.
Der Brexit habe allen "versklavten" Nationen in Afrika Hoffnung gegeben, schrieb Ibeh Gift Amarachi auf der nigerianischen Webseite News Biafra. Wenn Großbritannien sich von der Zwangsjacke der EU befreien könne, dann werde es auch dem einstigen Biafra in Nigeria gelingen.
Der Journalist spricht aus, was viele im einstigen Biafra denken: Sie sehnen sich wieder nach Unabhängigkeit. Das Gebiet ist kaum größer als Bayern, hat rund 14 Millionen Einwohner. Die riesigen Ölfelder machen die Gegend zu einer der reichsten in Afrika.
Europa: (K)ein Vorbild
Wie kommt es, dass die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien jetzt plötzlich zum Vorbild wird? "Überall auf der Welt und auch in Europa sind internationale Zusammenschlüsse auf dem Rückzug, deshalb können solche Autonomiebestrebungen wieder Fuß fassen", erklärt Afrikahistoriker Andreas Eckert. Er ist Direktor des Instituts für Asien- und Afrikawissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Schwerpunkt: Die Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert.
Europa habe sich bislang gern als Vorbild für Afrika gefeiert: friedlich statt verfeindet, geeint statt zersplittert. Mit dem Brexit habe dieses Bild in Afrika ein für alle Mal Risse bekommen, sagt Eckert.
Die Briten und Biafra
Im einstigen Biafra weckt der Wunsch nach Unabhängigkeit aber auch schmerzhafte Erinnerungen an die blutigen Ereignisse rund um die Unabhängigkeitserklärung: Vor 50 Jahren zog Biafra in den Krieg gegen Nigerias Zentralregierung. Die Vision: ein eigenständiger Staat. Die Realität: drei Jahre Bürgerkrieg, mehr als einen Million Tote und eine Hungerkatastrophe, die geschätzt weitere drei Millionen Opfer forderte. Der Traum von Unabhängigkeit - blutig niedergeschlagen.
Der Biafra-Krieg ist Teil des kolonialen Erbes. 1862 hatten die Briten die Hafenstadt Lagos samt Umgebung zum Protektorat erklärt und später der Verwaltungseinheit Nigeria untergeordnet. In dieser neuen Kolonie lebten völlig unterschiedliche Volksgruppen: Die Haussa und Fulani im muslimischen Norden. Im Westen die Yoruba, im ölreichen Süden die christlichen Igbo. Insgesamt mehr als 500 verschiedene Ethnien und Sprachen.
Vom Musterland zum Krisenland
Nach dem zweiten Weltkrieg beschlossen die Briten, das Land zu modernisieren. Allerdings förderten sie hauptsächlich den christlichen Teil im Süden mit Entwicklungs- und Bildungsprogrammen. Die Igbo stiegen zu Nigerias Elite auf. 1960 galt der neue unabhängige Staat Nigeria als Afrikas Musterland - vor allem dank der Tüchtigkeit der Igbo-Offiziere und -Beamten.
Viele unterschätzten jedoch die Explosionskraft der ethnischen und regionalen Konflikte. "Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Ethnien und das gegenseitige Misstrauen sind schon stark gewesen, als Nigeria unabhängig wurde", sagt Eckert. Dafür habe vor allem die britische Kolonialpolitik gesorgt.
Streitpunkt Öl
Seit Jahren fühlen sich die Menschen im einstigen Biafra, aber auch im Norden Nigerias, im Stich gelassen. Die Regierung steckt kaum Geld in Bildung, Straßen oder sauberes Trinkwasser. Und die Jugendlichen finden keine Arbeit.
Dass sich Menschen im Südosten wieder eine eigenständige Republik Biafra wünschen, liegt auch an ihrem Frust über die politischen Eliten: "Die Regierung beutet den Ölreichtum im Niger-Delta unter großen ökologischen Kosten aus, aber die Menschen im einstigen Biafra haben nichts davon und sehen mit an, wie sich die korrupte Politikerklasse in Abuja und Lagos die Einkünfte unter den Nagel reißt", sagt Eckert.