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Dialog in einem zerissenen Land

Philipp Sandner18. März 2014

500 Delegierte sollen drei Monate lang über die Zukunft Nigerias beraten. Doch die Chancen, dass die Nationalkonferenz Lösungen für die zahlreichen gewaltsamen Konflikte bringen wird, sind gering.

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Symbolbild Gewalt in Nigeria
Bild: AMINU ABUBAKAR/AFP/Getty Images

Nigeria hat zum Dialog geladen. Rund 500 Delegierte aus Politik und Gesellschaft versammeln sich ab Dienstag (18.03.2014) in der Hauptstadt Abuja zu einer Nationalkonferenz. "Es wird darum gehen, wie das demokratische System das Leben der Menschen verbessern kann", sagt Informationsminister Labaran Maku, der sich viel von der Konferenz verspricht: "Viele sind der Überzeugung, dass sie helfen wird."

Die Herausforderungen, vor denen Nigeria steht, sind groß: Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas brennt es an allen Enden. Am Samstag (15.03.2014) hatten Schwerbewaffnete drei Dörfer in der Nähe der zentralnigerianischen Stadt Kaduna angegriffen und bis zu 200 Menschen brutal ermordet. Es war der jüngste Gewaltausbruch im Streit zwischen Hirtennomaden der Fulani-Volksgruppe und Bauern in der Region um Landrechte und lokale Vorherrschaft. Im Nordosten verbreitet die Miliz Boko Haram seit Jahren islamistischen Terror. Präsident Goodluck Jonathan verhängte im Mai 2013 den Ausnahmezustand über die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Hunderttausende Menschen sind seitdem auf der Flucht. Im Süden hat die jahrzehntelange Ölförderung große Teile des Nigerdeltas unbewohnbar gemacht. Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und schlechte Wartung führen dazu, dass immer wieder Öl in die Umwelt austritt. Große Teile der Bevölkerung des Nigerdeltas haben so ihre Lebensgrundlage verloren, die Arbeits- und Perspektivlosigkeit treibt viele dazu, sich bewaffneten Gruppen anzuschließen.

Goodluck Jonathan Foto: AP Photo/Sunday Alamba, File
Präsident Goodluck JonathanBild: picture-alliance/AP Photo

"Vorgezogener Wahlkampf"

Drei Monate haben die Teilnehmer der Nationalkonferenz nun Zeit, diese Probleme zu diskutieren. Eine klare Agenda ist allerdings nicht vorgesehen. Murtala Nyako, der Gouverneur des Bundesstaats Adamawa, zweifelt am Erfolg der Konferenz. "Was wird da gesagt werden, was noch nicht gesagt wurde?", fragt Nyako. Es habe schon viele Konferenzen gegeben. "Die Leute haben viele Vorschläge gemacht. Jetzt müsste es darum gehen zu sagen, was wir aus all diesen Vorschlägen machen. Wie setzen wir sie um?" Bis vor wenigen Monaten gehörte Nyako noch der Demokratischen Partei des Volkes (PDP) von Präsident Jonathan an. Im November war er eines von vielen Parteimitgliedern gewesen, die aus der Partei austraten - aus Protest gegen die Straf- und Rechtslosigkeit im Land, wie es hieß.

Dass die Konferenz wirklich Neues auf den Tisch bringt, glaubt auch Heinrich Bergstresser nicht. Der einzige Unterschied zu ähnlichen Konferenzen früherer Militärregierungen sei, dass Nigeria inzwischen ein demokratischer Staat sei, sagt der deutsche Journalist und Nigeria-Experte im DW-Interview. Laut Bergstresser geht es der Regierung aber auch gar nicht um Inhalte. "Die neue Konferenz hat nichts anderes im Sinn, als die tief gespaltene Regierungspartei wieder zu vereinen." Bergstresser bedauert, dass unter den Delegierten kaum neue Gesichter seien. Die Konferenz sei beherrscht von einer kleinen politischen und wirtschaftlichen Elite, die seit Jahrzehnten die Geschicke des Landes bestimme. "Vor allem bietet sie diesen Leuten eine Bühne. Es ist eine Art vorgezogener Wahlkampf", so Bergstresser. 2015 ist Wahljahr: Im Februar sollen die Nigerianer über ihr Parlament und ihren Präsidenten abstimmen. Die Kandidatur von Staatschef Goodluck Jonathan gilt als sicher.

Provinzgouverneur Murtala Nyako Foto: DW
Provinzgouverneur Murtala NyakoBild: DW/U. Shehu

Ein zerrissenes Land

Lange schon hatten zivilgesellschaftliche Gruppen dafür plädiert, einen nationalen Dialog einzurichten. Doch auch sie sind unzufrieden mit dem Konzept der Veranstaltung. Der nigerianische Rechtsanwalt Solomon Dalung bezeichnet die Einberufung der Nationalkonferenz sogar als beunruhigende Entwicklung. "Ich bin überzeugt, dass es sich hierbei um eine politische Waffe handelt, um von den großen Problemen des Landes abzulenken: Unsicherheit, Hunger, Arbeitslosigkeit und Plünderei." Die zahlreichen lokalen Konflikte kümmerten die Regierung wenig, glaubt auch Nigeria-Experte Bergstresser.

Angriff auf eine Ölplattform im Niger-Delta Foto: dpa - Report
Milizionäre im Niger-DeltaBild: picture-alliance/dpa

Die Regierung in Abuja hoffe, die Probleme aussitzen zu können - und richte ihr Augenmerk stattdessen ganz auf den Südwesten: Dort boomt die Wirtschaft. "Ausländische Investoren pilgern zurzeit nach Nigeria", sagt Bergstresser. Doch das Wirtschaftswachstum im Südwesten wird das Land kaum kitten können. Die Gegensätze nehmen zu. Vertreter der Zivilgesellschaft warten nun gespannt, welche Lösungsansätze die Nationalkonferenz entwickeln wird.