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Kardinal Onaiyekan: "Der Westen muss seine Arroganz aufgeben"

Zainab Mohammed Abubakar17. März 2014

Die Terrorsekte Boko Haram überzieht die Heimat des nigerianischen Erzbischofs John Onaiyekan mit beispielloser Gewalt. Mit der DW spricht er über Religion, Terrorismus und über die Diskriminierung von Homosexuellen.

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Kardinal John Onaiyeka, Foto: Zainab Mohammed Abubakar (DW)
Bild: DW/Zainab Mohammed Abubakar

Deutsche Welle: Allein im letzten halben Jahr fielen mehr als 1200 Menschen in Nigeria der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram zum Opfer. Eine großangelegte Offensive gegen die Rebellen brachte bisher kaum Erfolge. Wie würden Sie die Lage in Ihrem Land beschreiben?

Kardinal John Onaiyekan: Was wir bisher getan haben, war diskutieren, verstehen, Fragen stellen. Denn wir haben bisher eigentlich nicht verstanden, was in Nigeria wirklich vor sich geht. Wie kann es sein, dass nigerianische Truppen als UN-Blauhelme überall auf der Welt versuchen, Frieden herzustellen, aber wir nicht für Frieden in unserem eigenen Land sorgen können?

Was haben Sie als religiöse Führungsfigur des Landes unternommen, um die Regierung im Kampf gegen die Gewalt im Norden des Landes zu unterstützen?

Die Regierung denkt immer noch, dass Boko Haram keine religiöse Organisation sei, dass es ihr nur um Politik gehe. Ich habe der Regierung gesagt, dass sie einen großen Fehler macht, wenn sie die religiöse Dimension von Boko Haram ignoriert. Wenn Boko Haram die Sprache der Religion spricht, dann müssen wir das auch tun, damit man uns versteht. Wir müssen ihre Religion ernst nehmen, um sie zu erreichen. Ich weiß nicht, ob diese Strategie erfolgreich ist, aber wir müssen es versuchen.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Nigeria einen Weg aus der Krise findet?

Ich bin Optimist: Alles was einen Anfang hat, wird irgendwann ein Ende nehmen. Ich glaube, auch wenn wir die Lage noch nicht unter Kontrolle haben, beginnen wir doch, sie zu verstehen. So löste das Massaker an den Schulkindern im Februar dieses Jahres zum Beispiel einen riesigen Aufschrei in Nigeria aus. Seitdem fordern die Menschen die Regierung auf, endlich etwas zu unternehmen. Ich denke, dass diese Kinder nicht umsonst gestorben sind, denn jetzt kann die Regierung nicht mehr wegsehen.

Nigeria hat kürzlich für Aufsehen gesorgt, als Präsident Goodluck Jonathan ein Gesetz unterzeichnete, das unter anderem Haftstrafen für Schwule und Lesben vorsieht. Sie haben das Gesetz öffentlich gelobt. Warum?

Das Anti-Homosexuellen-Gesetz besagt einfach nur, dass man in Nigeria eine Beziehung zwischen gleichen Geschlechtern nicht Ehe nennen kann. Und wir werden zwei Männer oder zwei Frauen nicht als verheiratet akzeptieren, egal aus welchen Teilen der Welt sie in unser Land kommen. Damit wäre es gut für mich gewesen. Aber ich bin kein Mitglied der Regierung und wurde nicht nach meiner Meinung gefragt, als das Gesetz verabschiedet wurde. Das Problem ist nämlich, dass ein Gesetz immer nach einer Sanktion verlangt und so kam es zur Kriminalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Allerdings können Homosexuelle nur bestraft werden, wenn sie auch wirklich versuchen zu heiraten – nicht aber, wenn sie sich nur zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Wie will man das auch beweisen?

Welche Botschaft haben Sie für Europäer und Amerikaner, die Kritik an dem Gesetz üben?

Von Beginn an hat Gott Mann und Frau erschaffen, um Kinder zu zeugen. Kein Gesetz kann das ändern. Wenn es zwei Männern jetzt erlaubt ist, einander zu heiraten, soll keiner erwarten, dass die Kirche das akzeptiert. Wir sollten das Recht haben, zu entscheiden, was wir für richtig und was für falsch halten. Ich denke, die westliche Welt muss ihre Arroganz endlich aufgeben. Sie kann nicht entscheiden, wohin sich Nigeria zu entwickeln hat. Wir sind vielleicht arm, aber nicht verrückt. Die westliche Welt jedoch ist reich, kann aber manchmal auch ziemlich verrückt sein.

Also stellt das Gesetz keine Verletzung der Menschenrechte dar, wie in der westlichen Welt wiederholt beklagt wird?

Wenn jemand von Menschenrechtsverletzungen redet, soll er auf die gesamte Welt blicken. Es gibt schlimmere Verletzungen von Menschenrechten, als die Diskriminierung von Homosexuellen. Jeder hat ein Recht auf ein anständiges Leben, ob homosexuell oder nicht. Dieses Leben haben die Menschen hier in Nigeria nicht. Darüber sollte die internationale Gemeinschaft sich Gedanken machen.

John Onaiyekan ist Erzbischof von Abuja und Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre und des Päpstlichen Rates für die Familie. Seit Jahren setzt er sich weltweit für die Toleranz von religiösen Minderheiten ein. Seine positiven Äußerungen zum Anti-Homosexuellen-Gesetz in Nigeria brachten ihm jedoch Kritik in Europa ein.

Das Interview führte Zainab Mohammed Abubakar