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Tödlicher Kampf ums grüne Gras

Theresa Krinninger3. Mai 2016

In Afrika verschärfen sich die Konflikte um fruchtbaren Boden. Immer wieder gibt es Tote bei Überfällen auf Bauern und ihre Viehherden. In Nigeria gilt der Kampf ums Land als eines der größten Sicherheitsrisiken.

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Südsudan Bewaffneter Hirte 23.12.2013 (Foto: Reuters)
Auch im Südsudan werden Konflikte um Land mit Waffen ausgetragenBild: Reuters

Als die Angreifer einfielen, gab es keine Rettung mehr für viele Bewohner von Ukpabi Nimbo. Schwer bewaffnete Hirten seien Ende April plündernd und mordend durch das Dorf im Südosten Nigerias gezogen, berichten Medien. Dutzende Menschen wurden getötet, Häuser und Kirchen zerstört.

Überfälle wie diesen gibt es immer wieder in Nigeria. Viehhirten, die als Nomaden leben, konkurrieren mit Bauern um fruchtbares Land. Lange waren diese Konflikte auf Nordnigeria beschränkt. Doch inzwischen dringen die Nomaden, teils aus den Nachbarländern kommend, auf der Suche nach Weideland immer weiter nach Süden vor.

Erst im Februar starben im Zentrum Nigerias etwa 300 Menschen bei einem solchen Überfall, etwa 7000 mussten fliehen. Nach Angaben der Beratungsfirma SBM Intelligence, die für Kunden in Nigeria auch Sicherheitsinformationen recherchiert, gab es zwischen 1997 und 2015 fast 400 solcher Vorfälle, die meisten davon im fruchtbaren Grüngürtel Nigerias. Laut Schätzungen sterben dabei jährlich mehr als tausend Menschen.

Nigeria Maisfeld Bewässerung (Foto: DW)
Fruchtbarer Boden wird knapperBild: DW

Viehdiebe entwaffnen?

Bislang hat die nigerianische Regierung keine Lösung parat. Ein neuer Gesetzentwurf sieht zwar vor, dass in jedem Bundesstaat Weide-Reservate für Nomaden entstehen. Das hieße aber auch, dass Bauern Teile ihrer Ländereien abgeben müssten. Nigerianischen Medienberichten zufolge bekommt der Entwurf kaum Zuspruch von der Bevölkerung. Auch bei einer Anhörung im Parlament klagten viele Redner, dass so ein Gesetz nur zu mehr Gewalt führen würde.

Baba Usman Ganjarma, der Sekretär des nigerianischen Nomadenvereins Miyetti Allah, sieht dagegen den nördlichen Bundesstaat Kano als Vorbild. "Dort hat die Regierung Viehdiebe begnadigt und ihnen Kredite angeboten, um sie wieder zu integrieren", sagt Ganjarma. Er glaubt, dass sie so früher oder später ihre Waffen niederlegen werden.

Der Klimawandel verschärft die Konflikte

Nicht nur Nigeria bekommt den Streit ums Land und die Überfälle auf Viehherden, sogenannte 'cattle raids', nicht in den Griff. Seit Jahrzehnten schon gibt es in vielen afrikanischen Ländern Konflikte um Weideland und Ressourcen - zum Beispiel in Kenia und Äthiopien. Besonders dort, wo der Regen ausbleibt und ganze Landstriche austrocknen. Der Klimawandel bringt eine Dürre nach der anderen, das Wasser wird knapp, die fruchtbaren Böden für die Viehherden schwinden - und damit die Lebensgrundlage der Nomaden und Viehhirten.

Äthiopien Afar Kühe Rinder in trockener Landschaft (Foto: DW/G. Tedla)
Äthiopien erlebt gerade eine schwere DürreBild: DW/G. Tedla

Dazu kommt das Bevölkerungswachstum in vielen Ländern. In Nigeria etwa wird sich die Zahl der Einwohner bis 2050 laut Schätzungen mehr als verdoppeln, von jetzt 183 auf 440 Millionen Menschen. Die Hirten haben weniger Weideflächen, die Bauern weniger Äcker. Häufig pflanzen Farmer in ehemaligen Weidekorridoren an. Dort fressen die Kühe der Hirten dann die Ernte weg, oder zertrampeln die Felder. Die Konflikte nehmen zu.

Auch die Religion spielt in Nigeria dabei eine Rolle: Während die Nomaden und Hirten zur Volksgruppe der Fulani gehören und muslimisch sind, sind die ansässigen Bauern meist Christen. Die Fulani leben in größeren Gruppen in der gesamten Sahelzone von der Westküste, über Nigeria und Kamerun bis in den Tschad und den Sudan. Religiöse Anfeindungen überlagern das ohnehin schon schwierige Miteinander zusätzlich.

Neue Lösungsansätze

Der deutsche Agrarwissenschaftler Erwin Geuder-Jilg hat viele Jahre als Berater für verschiedene Entwicklungsorganisationen in Westafrika gearbeitet. Er sagt: Die fehlende Kommunikation ist das Problem. Während eines Einsatzes im Norden Kameruns an der Grenze zu Nigeria habe man deshalb etwas Neues ausprobiert. "Wir haben in den Dörfern Mediatoren ausgebildet. Sie haben die Gruppen zusammengebracht, um die Probleme zu besprechen", sagt Geuder-Jilg. "Sie haben dann gemeinsam etwa Viehkorridore abgesteckt oder abgesprochen, zu welchen Zeiten die Flächen für Äcker oder zum Grasen genutzt werden."

Dazu hätten sie die Behörden und die traditionellen Autoritäten, zum Beispiel Dorfälteste, als Schlichter ins Boot geholt. Das sei allerdings nicht immer von Vorteil. "Zwar können sie in ihrer Funktion Konflikte beilegen, sie können sie aber auch verschärfen", sagt Geuder-Jilg. Manche Schlichter würden für jede Konsultation Geld verlangen und so quasi vom Streit profitieren.

In Kenia hilft Sport

Die Kenianerin Tegla Loroupe hat auf ungewöhnliche Weise ähnliches erreicht: "Wir haben es geschafft die verfeindeten Gruppen durch Sport zusammenzubringen", sagt sie. "Und wir haben es sogar geschafft, die Regierung für unsere Sache zu gewinnen." Loroupe ist ehemalige Marathonläuferin und setzt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Stiftung "Loroupe Peace Foundation" für Frieden im Nordwesten Kenias ein. Das Gebiet ist seit Jahren von bewaffneten Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen geprägt. Aus Angst vor Überfällen, begleiten viele Hirten ihr Vieh mit Kalaschnikows zur Wasserstelle.

Tschad Guite Vieh-Hirte mit Kühen (Foto: AFP)
Hirte im Tschad: In der Sahelzone suchen Nomaden neue Weideflächen für ihr ViehBild: Getty Images/AFP/P. Desmazes

2003 hat Loroupe den ersten Friedenslauf organisiert. "Es sind Menschen aus sieben verschiedenen Gemeinden zusammengekommen. Sie konnten sich kennenlernen und sehen, wer wirklich hinter dem vermeintlichen Feindbild steckt", sagt sie. Die Unterstützung der Regierung sei für ihre Arbeit sehr wichtig. "Die Hirten können ihre Gewehre über die Stiftung an die Behörden abgeben, ohne dass sie für den Waffenbesitz bestraft werden", sagt Loroupe.

Mehr Waffen in Umlauf

Ihr Ansatz könnte auch für die Sahelzone interessant sein. Denn dort sind seit dem Sturz des libyschen Diktators Gaddafi besonders viele Waffen im Umlauf. Neben der Terrormiliz Boko Haram in Nigeria und der Al-Kaida im Maghreb könnten sie auch in die Hände militanter Hirten oder Bauern geraten sein, denn bei den Überfällen kommt immer wieder schwere Waffen zum Einsatz.

Jetzt müssten die Regierungen handeln, sagt der nigerianische Analyst Aliyu Tilde. "Die Sicherheitskräfte sorgen sich wenig um das Problem, also greifen die Menschen zu eigenen Mitteln. Wenn sich die neue Regierung dem Wandel verschreibt, dann soll sie auch in diesem Konflikt für Recht und Ordnung sorgen und die Verantwortlichen bestrafen", so Aliyu Tilde.

Einen Schritt in diese Richtung hat Nigerias Präsident Muhammadu Buhari nach den jüngsten Angriffen gemacht. Er versicherte den betroffenen Dörfern, die Fälle zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Mitarbeit: Uwaisu Idris, Gazali Abdou