Nicaragua: Kanalbau für die Umwelt?
12. Februar 2016Herr Minister, nicht nur in Europa sehen Umweltschützer den Bau eines interozeanischen Kanals durch Nicaragua sehr kritisch. Weshalb verteidigen Sie ihn?
Der Kanal zwischen Pazifik und Karibik wird die Wirtschaftskraft Nicaraguas verdoppeln und uns erlauben, die extreme Armut zu überwinden. Der Kanal wird aus Nicaragua eine Drehscheibe des Geschäftsverkehrs in Lateinamerika und der Karibik machen. Die Route, die aus sechs verschiedenen Möglichkeiten ausgewählt wurde, ist nicht die billigste, sondern die sozial- und umweltverträglichste Variante. Und diese hat man sogar noch einmal verändert, um Feuchtgebiete zu schützen. Die Kosten steigen deswegen von 40 auf 50 Milliarden Dollar. Der Hafen auf der Pazifikseite wird 2,5 Kilometer landeinwärts angelegt, um einen Mangrovenwald zu schonen. Es gibt keine Sprengungen im Nicaragua-See, der Aushub erfolgt nicht mechanisch, sondern hydraulisch und wird genutzt, um zwei künstliche Inseln anzulegen, die Vogelschutzgebiete werden sollen. Auf der Karibikseite wird der Hafen außerhalb auf einer künstlichen Insel errichtet, ähnlich wie in Rotterdam die Anlagen für die großen Schiffe. Die Einnahmen des Kanals werden zur Wiederaufforstung des ganzen Landes benutzt. Das ist wichtig, denn das Verschwinden des Waldes ist derzeit das größte ökologische Problem in Nicaragua. Insgesamt wird der positive soziale und ökologische Effekt überwiegen und letztlich wird dies auch ein Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel.
Also im Unterschied zum Pariser Klimaschutzabkommen, das Sie heftig kritisieren? Manche erinnern sich an Ihren legendären Auftritt am letzten Tag der Pariser Verhandlungen …
Das Ziel der Pariser Vereinbarungen ist die Temperaturerhöhung der Atmosphäre bis Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad zu halten, möglichst sogar unter 1,5 Grad.. Aber das Abkommen, so wie es ist, führt nicht zu diesem Ziel. Es läuft auf 2,7 bis 3 Grad im weltweiten Durchschnitt hinaus. Für die tropischen Länder würde dies 4 bis 5 Grad bedeuten. Schon derzeit entwickeln wir uns zwar wirtschaftlich sehr schnell, aber der Klimawandel fügt uns Jahr für Jahr große Schäden zu. Eine Temperaturerhöhung um 4 oder 5 Grad ist für die Entwicklungsländer nicht akzeptabel. Außerdem bedeutet der Vertrag von Paris eine Zurücknahme des Rechts auf Kompensation durch die Verursacher dieses Klimawandels. Ein Entschädigungsfonds, wie ihn Nicaragua fordert, gehört nicht zu dem Vertrag. In dessen Vorwort redet man von den Menschenrechten, aber im operativen Teil fordert man von den Entwicklungsländern, auf ihre legitimen Rechte zu verzichten.
Sie treffen in Deutschland derzeit Wissenschaftler, Umweltverbände und Regierungsvertreter. Worum geht es konkret?
In Deutschland gibt es großes Interesse für das, was wir in Nicaragua machen. Wir haben es geschafft, den Anteil der erneuerbaren Energien seit 2007 von 25 auf 56 Prozent zu erhöhen. Dabei nutzen wir Wasserkraft, Wind, Erdwärme, Sonne und Biomasse. 2020 wollen wir 90 Prozent erreichen. Es gibt auch deutsches Interesse an unserem Wiederaufforstungs-Programm. Damit wollen wir in den nächsten fünf Jahren 11 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ausgleichen. Nicaragua selbst stößt pro Jahr nur 4,8 Millionen Tonnen aus. Wir sind auf große Bereitschaft gestoßen, mit uns bei diesen Projekten zu kooperieren.
Paul Oquist ist Minister und Sonderbeauftragter des Präsidenten Nicaraguas für Umwelt
Das Interview führte Emili Vinagre