Die Hölle unter Deck
15. August 2015Wieder sterben Menschen auf ihrem Weg nach Europa, angetrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Für 40 Flüchtlinge endet die Reise tödlich. Ihr Schiff war nach Angaben der italienischen Marine vor der libyschen Küste südlich der italienischen Insel Lampedusa in Schwierigkeiten geraten. Soldaten hätten die Leichen im Laderaum des Schiffes entdeckt, hieß es weiter. Sie waren vermutlich unter Deck eingeschlossen und erstickt, als Wasser in den Laderaum eindrang und giftige Dämpfe aufstiegen.
Mehr als 300 Menschen gerettet
Die Leichen seien "in Wasser, Treibstoff und menschlichen Ausscheidungen" geschwommen, sagte der Kapitän des zur Hilfe entsandten Marineschiffes, Massimo Tozzi, im italienischen Fernsehen. Mehr als 300 Menschen seien gerettet worden, darunter auch Frauen und Kinder. Laut Nachrichtenagentur Ansa waren insgesamt zwischen 300 und 400 Menschen an Bord.
Erst am Dienstag waren beim Untergang eines überfüllten Schlauchboots vor der libyschen Küste etwa 50 Menschen ertrunken. Allein an dem Tag wurden nach Angaben der italienischen Küstenwache mehr als 1500 Flüchtlinge von sieben Schiffen auf dem Mittelmeer in Sicherheit gebracht.
Alfano: Probleme in Libyen lösen
Italiens Innenminister Angelino Alfano warnte, dass das aktuelle Unglück nicht das letzte sein werde, wenn die Probleme im Krisenland Libyen nicht gelöst würden. Von dort starten viele Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten die gefährliche Fahrt über das Meer. Seit Jahresbeginn kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration rund 2300 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben. Im gesamten vergangenen Jahr starben dabei 3279 Menschen. Dennoch ist der Strom ungebrochen. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums gelangten seit Januar mehr als 100.000 Menschen per Boot aus Libyen nach Italien.
"Schlimmste Flüchtlingskrise seit 1945"
Angesichts der großen Flüchtlingswelle hat der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos dazu aufgerufen, der "schlimmsten Flüchtlingskrise" seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 entgegenzutreten. Europa sei verpflichtet, das Problem auf eine "anständige, zivilisierte und europäische Art und Weise" zu lösen und die Flüchtlinge willkommen zu heißen.
Europa tue sich schwer im Umgang mit den Menschen, die innerhalb der Grenzen Schutz suchten, sagte Avramopoulos in Brüssel. Die EU beruhe aber auf dem Prinzip der "Solidarität mit Menschen in Not", rief er eindringlich ins Gedächtnis. "Das sind verzweifelte Menschen, sie brauchen unsere Hilfe und unsere Unterstützung."
Lage in Griechenland: dringlich
Die Lage in seinem Heimatland Griechenland bezeichnete der EU-Kommissar als besonders "dringlich". Er hatte sich zuvor in Griechenland mit mehreren Ministern sowie mit Vertretern der Insel Kos getroffen - einem der derzeitigen Brennpunkte der Flüchtlingskrise. In Griechenland seien allein im Juli 50.000 Asylsuchende eingetroffen, sagte Avramopoulos.
Auf der griechischen Ägäis-Insel Kos hat sich unterdessen die Lage der Flüchtlinge nach den Auseinandersetzungen mit der örtlichen Polizei in den vergangenen Tagen etwas entspannt. Allerdings gab es laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters Zusammenstöße zwischen Menschen aus Afghanistan, Pakistan und dem Iran. Die Stimmung heizte sich demnach vor einer Polizeistation auf, vor der Hunderte Menschen darauf warteten, registrieren zu werden und mit diesen Papieren die Weiterreise nach Norden anzutreten. Die Flüchtlinge sollen auf einander eingeprügelt und sich mit Steinen beworfen haben.
Die Polizeiwache war dem Bericht zufolge allerdings wegen eines Feiertages geschlossen. Wie Reuters weiter schreibt, sahen Polizisten dem Geschehen tatenlos zu. Erst als eine Gruppe von Iranern versuchte, den Polizeikordon um das Gebäude zu durchbrechen, trieben die Polizisten laut Reuters die Angreifer mit Schlagstöcken auseinander.
Fähre als Flüchtlingsunterkunft
Wie der staatliche Rundfunk ERT berichtet, soll in der Nacht zum Sonntag damit begonnen werden, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien an Bord der "Eleftherios Venizelos" zu bringen.
Die Regierung in Athen hatte die Fähre nach Kos geschickt, um die völlig überforderte Mittelmeerinsel bei der Unterbringung von rund 7000 Flüchtlingen zu unterstützen. Am Freitag wurden 1300 Flüchtlinge mit einer anderen Fähre in den Hafen von Piräus bei Athen gebracht. Weitere Transporte auf das Festland sollten folgen.
cw/wl (dpa, afp, rtr)