Verstärkung gegen Proteste?
29. August 2019Die Hauptverwaltung der Nationalgarde hatte bei der russischen Jobbörse "Headhunter" eine Suche nach Personal für Sondereinheiten in Moskau platziert. Unter den Aufgaben stand die "Begleitung von Demonstrationen und Protesten", aber auch die "Unterdrückung von Unruhen". Das berichtet das russische Internetportal "Open Media".
In der Jobbeschreibung hieß es ferner, zu den Aufgaben zähle der "Schutz der öffentlichen Ordnung und die Gewährleistung der Sicherheit bei Massenveranstaltungen in der Stadt Moskau, die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Gefahrenzonen und in Notsituationen, die Bekämpfung von Verbrechen, Straftaten und Unruhen sowie die Bekämpfung von Verstößen gegen die öffentliche Ordnung durch Gruppen und die Verhinderung von Massen-Pogromen".
Angespannte Lage in Moskau
Seit Mitte Juli sind in Moskau und anderen Städten zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den Ausschluss mehrerer Oppositionspolitiker von der Kommunalwahl in der russischen Hauptstadt am 8. September zu protestieren. Zahlreiche Kandidaten waren wegen angeblicher formaler Mängel von den Behörden nicht zugelassen worden.
Polizei und Justiz reagieren auf die Proteste mit zunehmender Härte. Tausende Demonstranten wurden bislang festgenommen. Die Polizei setzte auch Schlagstöcke ein. Menschenrechtler sprechen von unverhältnismäßiger Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten. Auch international wurde das Verhalten der Sicherheitskräfte kritisiert. Dennoch ist zu erwarten, dass die Proteste bis zum Wahltag weitergehen.
Der Kreml verteidigte das Vorgehen der Polizei: Das "entschlossene Handeln der Gesetzeshüter" zur Vermeidung von "Unruhen" sei "absolut gerechtfertigt", sagte der Sprecher von Staatschef Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Für die Teilnahme an Massenunruhen drohen in Russland Haftstrafen von bis zu acht Jahren. Vor Gerichten laufen inzwischen zahlreiche Verfahren gegen Demonstranten.
Stellungnahme der Nationalgarde
Die Nationalgarde der Russischen Föderation, auch kurz "Rosgvardia" genannt, ist die interne Streitmacht der russischen Regierung. Sie ist dem russischen Präsidenten als Oberbefehlshaber und Vorsitzenden des Sicherheitsrats direkt unterstellt.
Die neuen Jobs wurden von der Nationalgarde am 26. August gleich in 52 Regionen Russlands ausgeschrieben. Demnach wurden zusätzliche Kräfte für die Hauptstadt in der Region Moskau, in Kursk, Saratow, Lipezk, Tambow, Jaroslawl, Krasnodar, Rostow am Don und in anderen Städten des Landes gesucht.
Schnell war die Ausschreibung der russischen Nationalgarde wieder verschwunden. Doch in den Medien des Landes ist sie weiter ein Thema. Laut dem Internetportal "Open Media" versicherte "Headhunter", dass die Ausschreibung auf einem von der Jobbörse überprüften Arbeitgeber-Account veröffentlicht wurde.
Auch Walerij Gribakin, Berater des Chefs der russischen Nationalgarde und für Medienarbeit zuständig, bestätigte auf Open-Media-Anfrage die Ausschreibung. Die im Aufgabenbereich erwähnte "Unterdrückung von Unruhen" beziehe sich aber auf die "Aufrechterhaltung der Rechtsordnung im Strafvollzug", sagte Gribakin. Er fügte hinzu, dass es gängige Praxis sei, auch in anderen Regionen des Landes nach Sicherheitspersonal für die Hauptstadt zu suchen.
Alle Jobs schon vergeben?
Der Ausschreibung nach sollen die künftigen Angehörigen der Sondereinsatzkräfte ein Monatsgehalt von bis zu 65.000 Rubel (ca. 880 Euro) erhalten - für Menschen abseits der Metropolen durchaus ein attraktives Gehalt. Die Bewerber müssen keine Berufserfahrung vorweisen, sollten jedoch mindestens über einen mittleren Schulabschluss verfügen. Voraussetzung für eine Einstellung ist allerdings ein absolvierter Wehrdienst.
Laut "Open Media" war schon einen Tag nach Veröffentlichung der Ausschreibung eine Online-Bewerbung nicht mehr möglich. Auf der Internetseite von "Headhunter" (Motto: "Es gibt für jeden einen Job") heißt es, das Angebot sei schon ins Archiv gewandert, "da der Arbeitgeber wahrscheinlich bereits die passenden Kandidaten gefunden hat und keine weiteren Bewerbungen mehr annimmt".