Netflix kommt
10. September 2014Will man den Anbietern diverser Streaming-Kanäle Glauben schenken, liegt das lineare Fernsehen in seinen letzten Zügen. Der Blockbuster um 20 Uhr 15, wie im Deutschen Fernsehen üblich, wird vielleicht bald Geschichte sein, denn jeder kann sich über Streaming-Dienste oder Video-on-Demand-Anbieter seinen Film dann anschauen, wann er will. Diese neue Fernsehfreiheit ermöglichen schon jetzt viele Internetmediatheken deutscher TV-Sender. Verpasst man die Folge einer Serie, schaut man sie sich eben am nächsten Tag an. Im Netz gibt es bereits viele reine Streaming- oder Video-on-Demand –Plattformen: Maxdome, Watchever, Amazon oder Apple.
Mitte September wird ein neuer Wettbewerber ins Spiel kommen: Der US-Streaming-Dienst Netflix will die vorhandenen Anbieter ins Abseits drängen. In den USA ist Netflix bereits Marktführer, insgesamt hat das Portal nach eigenen Angaben 50 Millionen Abonnenten in mehr als 40 Ländern.
Auswahl noch recht dürftig
Von Besorgnis ist derweil bei den Rivalen nicht viel zu spüren. Sollen sie mal kommen, ist der allgemeine Tenor, und da liegen sie nicht ganz falsch: Netflix wird zunächst ein recht schmales Angebot haben, da die Rechte vieler der interessanten Serien und Filme bei anderen Anbietern liegen. So besitzt der Bezahlsender Sky-Deutschland die Rechte ausgerechnet an dem Flaggschiff von Netflix – der Politsatire-Serie "House of Cards".
Netflix ist allerdings nicht alleine mit diesem Rechte-Problem. Keiner der Streaming-Anbieter hat eine wirklich vollständige Sammlung im Programm. Irgendwer hat sich immer schneller als der andere die Rechte an Filmen oder Serien gesichert, verschiedene Rechteinhaber schließen eben auch mit verschiedenen Streaming-Anbietern Verträge ab. So kommt es, dass auch im tollsten Angebot immer irgendwas fehlt – das gilt vor allem für die erfolgreichen US-Fernsehserien. So warteten Sky-Kunden etwa vergeblich auf "Breaking Bad", wogegen die Maxdome-Abonnenten alle Staffeln geliefert bekamen.
Da sind natürlich die illegalen Download- oder Streaming-Seiten im Vorteil. Dort findet man so gut wie alles. Das Traumziel jeder legalen Plattform.
Die Konkurrenz ist hellwach
Genau jetzt hat Amazon mit seiner Streaming Box "Fire TV" einen Marker gesetzt. Am Tag des Verkaufsstarts (4. September) war das komplette Startangebot innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Mit der TV-Box wird nicht nur das eigene Streaming-Angebot "Prime" für einen jährlichen Spottpreis von 49 Euro geliefert. Über die Box kann sich der Zuschauer auch zu günstigen Konditionen bei Maxdome und – man höre: Netflix einloggen.
Die Preise der Mitbewerber haben alle stets im Auge, was die Angebote für die Zuschauer recht günstig macht. So ist ein Monatsabo bei Maxdome und Watchever für acht Euro zu haben, auch Netflix soll im Preisbereich von sieben bis acht Euro monatlich liegen. Schick für die Zuschauer ist es, dass das Abo monatlich gekündigt werden kann.
Lange werden sich die hiesigen Anbieter nicht zurücklehnen können. Das Angebot von Netflix wird sich schnell erweitern. Schon sitzen, wie Netflix-Chef Reed Hastings erklärte, Spezialisten daran, die Vorlieben des deutschen Publikums herauszubekommen. "Wir sehen dann etwa: Ah, die Deutschen mögen gerne Filme, in denen Motorräder vorkommen, davon brauchen wir mehr", sagte Hastings im Interview mit dem "Spiegel".
Die besten Informationsquellen sind dabei die illegalen Tauschbörsen und Streaming-Dienste – die Top-Listen geben genaue Auskünfte über den Geschmack der deutschen Zuschauer.
Digitales Neuland
Dass Netflix jetzt kommt, sorgt sicherlich für Bewegung auf dem deutschen Streaming-Markt. Der aber ist überhaupt nicht zu vergleichen mit der TV-Landschaft in anderen Ländern. Zwei grundsätzliche gemeinsame Probleme haben Netflix und seine Konkurrenten nämlich speziell in Deutschland: Noch gibt es auf dem hiesigen Markt viele frei zugängliche TV-Kanäle, sowohl öffentlich-rechtliche als auch private, auf denen genügend Inhalte angeboten werden - für jeden Geschmack. Das wird sich so schnell nicht ändern. Die Fernsehgewohnheiten der Zuschauer ändern sich auch eher langsam – während junge Menschen mehr auf die Freiheit durch Streaming setzen, hängen Ältere an ihrem linearen Fernsehprogramm.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Zustand der digitalen Infrastruktur in Deutschland: Die ist in vielen Gebieten noch lückenhaft: Etliche Haushalte warten noch auf schnelle Internetverbindungen, ohne die man die Streaming-Angebote gar nicht nutzen kann.