Netflix kommt - na und?
22. Juli 2014Wo ist sie eigentlich geblieben, die "gute alte" Videothek, die es früher in fast jedem Stadtviertel in Deutschland gegeben hat? Die Antwort fällt leicht: Sie ist ins Internet abgewandert. Dort aber hat nicht der Videotheken-Besitzer von nebenan das Sagen, sondern einige große Anbieter bestimmen das Geschäft. Mit dem US-Unternehmen Netflix kommt demnächst ein weiterer hinzu.
Ein Problem für die bereits in Deutschland etablierten Anbieter? "Der Netflix-Start sorgt in Deutschland für Unruhe", sagt Nico Jurran, Redakteur der Computerzeitschrift c't. "Natürlich geben sich die vorhandenen Dienstleister betont gelassen. Aber sie wissen: Da kommt nicht nur ein Pionier, sondern der weltgrößte Videostreaming-Dienst nach Deutschland."
Zukunftsmodell Streaming: Einnahmen sind besser planbar
Videostreaming befindet sich im Aufwind. Die Technik gibt es in dieser Form erst seit ein paar Jahren, doch sie findet zunehmend Anhänger - bei Anbietern und bei Kunden. Diese suchen sich einen Film per Online-Katalog aus und können ihn sofort anschauen. Auf dem PC, einem mobilen Endgerät wie Smartphone oder TabletPC oder per Smart-TV, das ebenfalls eine Verbindung zum Internet hat. Allerdings kann man keine Filme auf Vorrat laden und diese für einen späteren Zeitpunkt auf der Festplatte oder woanders speichern. Der Streaming-Dienst funktioniert nur, solange der Abo-Vertrag läuft.
Aus Unternehmersicht bietet das Abo-Modell einen großen Vorteil: Hat man erst einmal eine größere Zahl von Kunden gefunden, wird auch die Höhe der Einnahmen besser kalkulierbar. Anders dagegen beim traditionellen Verleihgeschäft, das es sowohl in den verbliebenen Videotheken als auch im Internet nach wie vor gibt. Kommt ein populärer Film in den Verleih – besonders beliebt sind die so genannten "Blockbuster" aus Hollywood – können die Einnahmen stark steigen. In anderen Monaten, ohne solche Filme, fällt das Ergebnis dagegen eher mau aus.
Netflix - Vorreiter in Sachen Eigenproduktionen
Die Streaming-Anbieter machen sich mit dem Abo-Modell daher weniger abhängig von den Film- und Fernsehproduzenten, als dies bisher der Fall war. Und gerade Netflix ist ein Beispiel, dass Unternehmen dieses Modell noch weiter perfektionieren können. Denn Netflix hat bereits vor einiger Zeit damit begonnen, eigene Serien zu produzieren. Serien wie "House of Cards" und "Orange is the New Black" kommen beim Publikum und bei den Kritikern gut an. "Netflix macht das sehr erfolgreich. Die haben zuletzt 31 Emmy-Nominierungen für ihre Serien und Dokumentationen eingefahren. Da kommen viele Sender nicht mit", sagt c't-Redakteur Nico Jurran. "Mit dem Erfolg kommt natürlich immer mehr Geld rein. Und weil Netflix auf so vielen Märkten vertreten ist und so viele Abonnenten hat, ist es viel einfacher, hochklassige Serien zu produzieren. Das wird selbst ein großes deutsches Medienhaus kaum schaffen."
Die Idee, mit eigenen Produktionen den Streaming-Dienst attraktiver zu machen, treibt offenbar auch hierzulande die Firmen um. Erste vorsichtige Versuche hat es bereits gegeben. Stefan Schulz, Geschäftsführer von Watchever, dem auch in Deutschland verfügbaren Angebot des französischen Medienkonzerns Vivendi, hat bereits im vergangenen Oktober in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" angekündigt, man habe mit einem "führenden deutschen Produktionsstudio" eine eigene Serie in Auftrag gegeben.
Youtube-Generation nimmt Streaming-Dienste schneller an
Zugleich bedeutet diese Entwicklung allerdings, dass Netflix nicht nur den bereits etablierten Anbietern wie Maxdome, Watchever oder Amazon Instant Video Konkurrenz machen wird, sondern auch den traditionellen Fernsehsendern und anderen Medienunternehmen. "Wenn Sie eine Stunde frei haben, ist es doch völlig egal, ob sie in dieser Zeit ein Buch lesen, das Programm eines Fernsehsenders gucken oder einen Streaming-Anbieter nutzen", sagt Nico Jurran. "Für Netflix, so sieht es das Unternehmen auch selbst, ist die Konkurrenz eigentlich überall."
Wie gut und wie lange sich vor allem die Fernsehsender dagegen behaupten können, hält Jurran auch für eine Generationenfrage: "Meine Eltern würden nicht auf die Idee kommen, sich bei Netflix einen Film raussuchen", so Nico Jurran. "Aber für die Generation, die heute aufwächst, ist Youtube völlig normal. Und selbst mein Schwiegervater hat jetzt inzwischen an seinem Smart-TV die Zusatzangebote aus dem Internet entdeckt."