Nazi-Vergleiche belasten bilaterale Beziehungen
5. September 2018Spitzenpolitiker der regierenden rumänischen Sozialdemokratischen Partei (PSD) liefern sich seit Tagen ein Wettrennen der sprachlichen Entgleisungen. Ziel dieser Enthemmungen sind die deutsche Minderheit in Rumänien und vor allem ihr prominentester Vertreter, Staatspräsident Klaus Iohannis. Zuerst war es der ehemalige Unterrichtsminister und jetzige Senator Liviu Pop, der die Organisation der deutschen Minderheit - das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien - als Naziorganisation beschimpfte. Der liberal-konservative Iohannis war jahrelang Vorsitzender des Forums, das nach der Wende 1989 gegründet wurde. Auch die PSD-Arbeitsministerin Lia Olguta Vasilescu ließ sich zu einem Nazi-Vergleich hinreißen, nachdem Iohannis die brutale Aktion der Gendarmen gegen friedliche Demonstranten auf dem Bukarester Victoria-Platz am 10. August scharf verurteilt hatte.
Immenser Schaden
Iohannis ist den regierenden Sozialdemokraten und ihrem pseudo-liberalen Juniorpartner ALDE schon lange ein Dorn im Auge. Nicht nur, weil er sich den Versuchen der Koalition entschieden entgegenstellt, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen und den Rechtsstaat abzuschaffen. Damit ist er eine reelle Gefahr für korrupte Politiker, die seit Amtsantritt der neuen Regierung Anfang 2017 mit einer parlamentarischen Mehrheit die Strafgesetze zu ihren Gunsten verändern wollen. Nutznießer der neuen Gesetze wäre in erster Linie der vorbestrafte PSD-Chef und Parlamentspräsident Liviu Dragnea.
Deshalb ist es auch kein Zufall, dass Dragnea die virulenten Verleumdungen schlicht als "unglückliche Formulierungen" bezeichnet. Jede Kampagne, die seinem Widersacher Iohannis schaden könnte, bringt ihn seinem Ziel näher, mit einem juristischen Persilschein die Regierung zu übernehmen. Noch darf er dies wegen seiner Vorverurteilung und zwei weiteren Prozessen wegen Amtsmissbrauchs und Geldwäsche nicht.
Die Premierministerin Viorica Dancila, die als eine Marionette Dragneas gilt, äußert sich gar nicht zu den Vorfällen. Dabei ist es ihr Chefberater und Dragneas rechte Hand, Darius Valcov, der mit einem neuen Video in den Sozialen Medien heftige Reaktionen auslöste. Darin ist Präsident Iohannis mit Hitler-Schnauzer und -Frisur abgebildet, das DFDR wird einer Naziorganisation gleichgesetzt, in gotischer Schrift steht über dem Bild "Hail Johannis". Dass Valcov die Verleumdungen aufgreift, überrascht nicht: In erster Instanz zu einer achtjährigen Haftstrafe wegen Korruption verurteilt, muss er fest damit rechnen, hinter Gitter zu kommen. Die Häufung der Verleumdungen lässt den Schluss zu, dass es sich um eine offensichtlich geplante Kampagne gegen Iohannis via deutsche Minderheit handelt. Das Video ist inzwischen gelöscht, der Schaden ist immens. Für die rumänischen Sozialdemokraten, aber vor allem für den EU-Mitgliedsstaat Rumänien.
Krichbaum: "Rumäniens EU-Ratspräsidentschaft droht zu scheitern"
Rumänien soll Anfang 2019 den Ratsvorsitz der EU übernehmen. Der deutsche Abgeordnete und Rumänien-Kenner Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag, hat in einem Interview mit dem rumänischen Info-Portal Hotnews.ro kritisch darauf hingewiesen, dass in Bukarest "mehrfach rote Linien" überschritten worden seien. Da sich die Regierung bislang nicht klar von alledem distanziert habe, so Krichbaum, liege der Schluss nahe, dass sie dies ganz bewusst akzeptiere, wenn nicht gar steuere. "Dadurch fügt sie den guten deutsch-rumänischen Beziehungen schweren Schaden zu", erklärte der CDU-Politiker und fügte hinzu: "Für die bevorstehende Ratspräsidentschaft sind dies alles in der Tat keine guten Vorzeichen. Diese droht zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat."
In einem Brief an die rumänische Premierministerin Dancila forderte der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Bernd Fabritius, die Regierungschefin auf, sich von der Verleumdungskampagne zu distanzieren. Andernfalls müsse sich die Regierung die "öffentlichen Kollektivbeleidigungen... zurechnen lassen", so der CSU-Politiker. Die andauernden Angriffe auf die deutsche Minderheit seien nicht nur geschmacklos, sie verletzten auch die Würde der Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Zudem seien sie ein grober Verstoß gegen den bilateralen deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag.
Eine klare Position bezog auch die SPD-Politikerin Susanne Kastner, Bundestagsvizepräsidentin a. D. und frühere Vorsitzende des Deutsch-Rumänischen Forums: "Ich schäme mich für die sogenannten Sozialdemokraten in Rumänien", schrieb sie in den Sozialen Medien.
Kritik von den Jüdischen Gemeinschaften in Rumänien
In Rumänien selbst ist die Kampagne gegen Iohannis und die deutsche Minderheit von zahlreichen Organisationen und Privatpersonen entschieden verurteilt worden. Der Präsident der Föderation der Jüdischen Gemeinschaften in Rumänien, Aurel Vainer, unterstrich in einer Erklärung, man sei "konsterniert" vom Vorgehen des Regierungsberaters und werde keinen Vergleich zwischen dem Staatspräsidenten und "einem der größten Kriminellen in der Geschichte der Menschheit" dulden. Iohannis sei stets dezidiert gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit eingetreten. Das Elie Wiesel-Institut zur Erforschung des Holocaust in Rumänien reagierte auf die "gravierenden Äußerungen" und verwies darauf, dass Valcov sich damit strafbar gemacht habe.
Das DFDR kündigte an, gemäß dem bilateralen deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag, der auch den gemeinsamen Schutz der deutschen Minderheit in Rumänien vorsieht, die Bundesregierung zu informieren und um eine klare Stellungnahme zu bitten.
Noch sind keine offiziellen Reaktionen der deutschen und europäischen Sozialdemokraten auf die Entgleisungen ihrer rumänischen Parteifreunde erkennbar. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine europäische Parteienfamilie aus taktischen Gründen vor einer Europawahl - wie so oft - erneut hinter leeren Floskeln versteckt.