Ohne Unterschrift kein Geld
4. Dezember 2013Die NATO setzt den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai gehörig unter Druck: Er soll sehr bald ein umfassendes Sicherheitsabkommen mit der NATO für die Zeit nach dem Abzug der meisten ausländischen Truppen unterzeichnen. Die USA wollen ein solches Abkommen bilateral mit Afghanistan schließen. Darin soll zum Beispiel geregelt sein, dass die ausländischen Soldaten in einem rechtlichen Streitfall nicht vor ein islamisches Gericht kommen. Dieses Abkommen soll die Grundlage für Regelungen mit den übrigen Truppenstellernationen bilden. Doch Karsai hat immer wieder Bedingungen gestellt und will das Abkommen eigentlich seinem Nachfolger überlassen, der im April gewählt werden soll. Das halten die NATO-Minister aber für zu spät. Deutschlands noch amtierender Außenminister Guido Westerwelle, der wohl zum letzten Mal mit seinen NATO-Kollegen zusammenkommt, mahnte Karsai von Brüssel aus, "nicht auf Zeit zu spielen": "Wir müssen ja auch planen, wir müssen die logistischen Entscheidungen treffen." Eine Frist wollte ihm zwar offiziell niemand setzen. Doch die NATO will möglichst bis zum Jahresende klare Verhältnisse haben.
Unterzeichnung vor Hilfszahlungen
Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ließ Karsai auch wissen, was auf dem Spiel steht, wenn er sich weiter sperrt: "Wenn die Unterschrift unter dem Rechtsabkommen fehlt, kann es keine Entsendung der Ausbilder geben." Die NATO will mit einigen tausend Soldaten auch nach dem Abzug im Land bleiben und die afghanischen Sicherheitskräfte schulen. Und wenn die NATO die Ausbildungsmission nicht starten kann, so Rasmussen, wäre die Sicherheit in Afghanistan gefährdet. Doch an der Unterschrift hängt noch mehr, meinte Rasmussen. Auch die von der Staatengemeinschaft zugesagte finanzielle Hilfe und die versprochene Entwicklungshilfe wären gefährdet. Es geht dabei um sehr viel Geld. Für den Unterhalt der afghanischen Soldaten und für die wirtschaftliche Entwicklung sind jeweils pro Jahr drei Milliarden Euro zugesagt. Afghanistan kann auf diese Unterstützung nicht verzichten, daher ist der Druck auf Karsai enorm, jetzt endlich zu unterschreiben. Gleichwohl legt die NATO Wert auf die Feststellung, dass sie nur Angebote machen kann und, so Rasmussen, "keine Besatzungsarmee" ist, die etwas erzwingt.
Gewalt gegen ukrainische Demonstranten verurteilt
Besorgt haben sich die Außenminister auch zu den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in der Ukraine geäußert, nachdem Präsident Viktor Janukowitsch auf russischen Druck hin die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU abgesagt hatte. Am Mittwoch wollen die NATO-Außenminister in Brüssel mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammenkommen. Die Beziehungen sind im Moment sehr angespannt. Rasmussen verurteilte den, wie er sagte, "überzogenen Einsatz von Gewalt durch die Polizei" in Kiew und forderte die ukrainische Regierung auf, "die grundlegenden demokratischen Prinzipien einschließlich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit" zu achten. Die Ukraine habe wie jedes Land das Recht, ihren "eigenen Weg zu gehen und ihre Verbündeten zu suchen. Aber ich erwarte, dass dieser Entscheidungsprozess wahrhaft demokratisch ist". In einer gemeinsamen Erklärung der Minister wurden "alle Seiten" aufgefordert, auf Provokationen und Gewalt zu verzichten. Der amerikanische Außenminister John Kerry riet der ukrainischen Regierung "dringend, auf die Stimme des Volkes zu hören, das nach Freiheit, Chancen und Wohlstand strebt". Gewalt habe "keinen Platz in einem modernen europäischen Staat". Ziel müsse jetzt für alle Seiten sein, "die Ukraine zurück auf den Pfad der europäischen Integration zu bringen", sagte Kerry.
NATO verbittet sich russische Einmischung
Westerwelle sieht in den Demonstrationen "den besten Beweis, dass die Menschen in der Ukraine europäisch denken. Das Herz des ukrainischen Volkes schlägt europäisch, und ich finde, die Richtung der Ukraine sollte Europa sein, und daher halten wir unsere Tür offen." Das Offenhalten bezieht sich zunächst einmal auf das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. Doch vor Jahren und unter einer anderen Regierung strebte die Ukraine auch eine NATO-Mitgliedschaft an. Georgien arbeitet weiterhin auf dieses Ziel hin und wurde deswegen von Rasmussen gelobt. Für die Moskauer Führung ist jede Annäherung seiner früheren Satellitenstaaten an die westlichen Strukturen ein rotes Tuch. Das Treffen in Brüssel mit Lawrow dürfte daher ziemlich frostig ausfallen.