Fällt Afghanistan zurück ins Chaos?
4. Dezember 2013NATO und USA zeigen sich zunehmend verärgert und setzen den afghanischen Präsidenten nun deutlich unter Druck: Hamid Karsai müsse das Abkommen über den rechtlichen Status internationaler Soldaten "sehr bald" unterzeichnen, fordert Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Andernfalls würden bis Ende 2014 sämtliche Truppen aus Afghanistan ersatzlos abgezogen und die geplante Ausbildungsmission gestrichen. Damit wäre auch der weitere Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hinfällig, die sich mit 600 bis 800 Soldaten an der Mission beteiligen will.
Rasmussen warnte bei einem Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel zudem vor den negativen Auswirkungen auf die Sicherheitslage und auch auf die finanzielle Unterstützung der Regierung in Kabul, wenn es keine Ausbildungsmission geben sollte. Afghanistan hat von der internationalen Gemeinschaft Finanzhilfen für den jährlich 4,1 Milliarden Dollar teuren Unterhalt der 350.000 Soldaten und Polizisten sowie weitere vier Milliarden Dollar als Entwicklungshilfe zugesagt bekommen.
US-Außenminister John Kerry wurde in Brüssel ebenfalls sehr deutlich: "Das ist hier keine Spielerei, das ist eine ernste Sache", sagte er. Karsai müsse den Vertrag ja nicht unbedingt persönlich in Kraft setzen: "Der Verteidigungsminister kann es unterschreiben, die Regierung kann es unterschreiben. Irgendjemand kann die Verantwortung dafür übernehmen." Kerry sagte: "Aber es ist wichtig, dass diejenigen, die außerordentlich große Geduld hatten und viel Geld für die Anstrengung in Afghanistan bereitzustellen versuchen, wissen, wohin die Reise geht."
Lebensgrundlagen werden vernichtet
Vor dem sich abzeichnenden Ende des von der NATO geführten Kampfeinsatzes in Afghanistan gegen die radikal-islamischen Taliban verschlechtert sich die Lage nach Einschätzung des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR in weiten Teilen des Landes.
Regierungsfeindliche Kräfte würden immer mehr Kontrolle gewinnen und zunehmend die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die organisierte Kriminalität nehme zu. "Bedrohungen, Einschüchterungen, Erpressungen und die Eintreibung illegaler Steuern gehören zum Alltag in vielen Teilen des Landes," heißt es in einem in Berlin veröffentlichten Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks. Auch von parallelen Justizstrukturen und Zwangsrekrutierungen ist die Rede. Kriegsherren und korrupte Beamte könnten selbst in Gebieten straffrei agieren, die von der Regierung kontrolliert würden.
"Das hohe Ausmaß an Gewalt und Unsicherheit hat Auswirkungen auf die humanitäre Lage im Land", so das UNHCR weiter. "Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen sind die unweigerliche Folge. Der Zugang zu Bildung und grundlegender Gesundheitsversorgung sowie die Teilhabe am öffentlichen Leben - insbesondere für Frauen - werden systematisch beschränkt." Diese gefährlichen Lebensverhältnisse müssten bei Asylgesuchen afghanischer Flüchtlinge berücksichtigt werden, mahnt die UN-Organisation.
rb/gri (dpa, afp, rtr)