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Politik

NATO und USA besorgt über russische U-Boote

Teri Schultz mb
26. April 2018

Eines der Kernthemen beim Treffen der NATO-Minister in Brüssel ist das schwierige Verhältnis zu Russland. Derzeit bauen die USA ihre Präsenz in Island auf, um russische U-Boote im Atlantik im Auge zu behalten.

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Island Luftwaffenstützpunkt Keflavik
Bild: DW/T. Schultz

Hauptmann Jon Gudnason schmunzelt, als er sich an den Anruf der Amerikaner im Mai 2014 erinnert: "[Sie sagten]: 'Können wir morgen kommen?'" Washington wolle wieder Personal zur Keflavik Air Base entsenden, acht Jahre nach dem Rückzug ihrer Truppen.

Gudnason leitet den isländischen Luftstützpunkt seit 30 Jahren - seit den Dämmerjahren des Kalten Krieges. "Wir sind solche Dinge gewöhnt", sagt er über den Umgang mit Washington. "Darum sind wir ja hier."

Während des Kalten Krieges waren 3.000 amerikanische Soldaten in Keflavik stationiert, es gab einen gut ausgestatteten Flottenstützpunkt. Von Island aus wollte Washington die Sowjetunion im Auge behalten, vor allem deren Aktivitäten unter Wasser.

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien das überflüssig, 2006 rückten die Truppen ab; man fürchtete keine Angriffe russischer Kriegs-U-Boote mehr.

Nordeuropa gewinnt an strategischer Relevanz

Doch mittlerweile sieht die Lage anders aus - und Island gewinnt für die USA und die NATO wieder an strategischer Relevanz. Im letzten Jahr genehmigte der US-Kongress $ 14,4 Millionen (€ 11,8 Millionen) dafür, die Keflavik Air Base wieder in Schuss zu bringen.

"Wir alle wissen, warum das passiert", sagt Islands Außenminister Gudlaugur Thor Thordarson im Gespräch mit der DW. "Das russische Militär ist so umtriebig wie schon lange nicht mehr."

Das zunehmend aggressive militärische Vorgehen Russlands seit dem Einmarsch in die Ukraine 2014 und der Annexion der Krim macht sich auch unter Wasser bemerkbar - was die USA besorgt registrierten. Laut Thordarson nutzte das Pentagon seinen isländischen Stützpunkt 2014 an 20 Tagen zur U-Boot-Überwachung, 2017 an ganzen 150 Tagen. Aber nicht nur für die USA gewinnt Europas Norden an strategischer Bedeutung, so der Außenminister: "NATO wird dem Nordatlantik bald so viel Aufmerksamkeit schenken wie schon lange nicht mehr."

Krim-Konflikt: Erobertes ukrainisches U-Boot Saporoschje
Russische Soldaten auf einem erobertem ukrainischen U-Boot im März 2014Bild: picture-alliance/dpa

NATO will Spannungen im hohen Norden kleinhalten

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigt, dass der U-Boot-Verkehr im Atlantik so stark sei wie nie zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges. "Gleichzeitig denke ich, dass es wichtig ist, dass wir die Spannungen im hohen Norden gering halten," so Stoltenberg bei einer Rede an der Universität Leiden Anfang des Monats. "Das ist in unserem Interesse und in Russlands Interesse. Aber […] wir müssen standhaft sein, wir müssen fähig sein, glaubhafte Abschreckungen zu liefern, und deshalb braucht die NATO beispielsweise mehr Flotten."

"Unsere Möglichkeiten in der U-Boot-Abwehr auszubauen hat für die NATO höchste Priorität", so der stellvertretende NATO-Sprecher Piers Cazalet im Interview mit der Deutschen Welle.

Treffen Verteidigungsminister im NATO Hauptquartier in Brüssel
Jens Stoltenberg (Mitte rechts) mit Gudlaugur Thor Thordarson (rechts) bei einem NATO-TreffenBild: NATO

Immer Platz für die USA in Keflavik

Die US-Investitionen in Keflavik fließen unter anderem in einen Flugzeugträger, der renoviert wird, um Platz zu machen für eine Boeing P8, ein U-Boot-Jagdflugzeug, das deutlich schwerer und größer ist als die Lockheed P-3, die in den vergangenen Jahrzehnten des Kalten Krieges dort stationiert war.

Müssen sich die Isländer Sorgen machen, dass ihre Insel zum Epizentrum eines Konflikts zwischen Russland und den USA werden könnte?

Nein, findet Jon Gudnason von der Keflavik Air Base. "Wir sind nicht in Gefahr", so der Hauptmann. "Hier geht es nur darum, zu wissen, was die Situation ist – zu wissen, was 'der Nachbar' macht."

Ein Auge auf Russlands U-Boote haben

Der Direktor der Transatlantische Sicherheitsinitiative der Denkfabrik Atlantic sieht das anders. "Die russische Marine von heute ist nicht die sowjetische Marine. Sie ist viel kleiner, hat viel weniger Schiffe und U-Boote", so Magnus Nordenmann im Interview mit der DW. "Aber sie ist auch viel ausgeklügelter und viel fähiger, als sie im Kalten Krieg war, und sie hat neue Fähigkeiten. So kann sie zum Beispiel Marschflugkörper abschießen, was sie ja an der Küste von Syrien mehrfach gezeigt hat." Das - so Nordenmann - konnten lange nur die USA und Großbritannien.

"Eine meiner Hauptsorgen angesichts des Wiederauflebens der russischen U-Boot-Flotte ist, dass sie Langstrecken-Marschflugkörper gegen Ziele in Nordeuropa einsetzen könnten", so Nordenmann.

Friedensaktivisten sind besorgt

Sorgen macht sich auch Thor Magnusson, wenngleich aus anderen Gründen. Der isländische Friedensaktivist und mehrfache Präsidentschaftskandidat fürchtet, dass die Präsenz der USA in Keflavik zu einer militärischen Eskalation mit Russland führen könnte – und Island sich durch die Air Base zur Zielscheibe macht. Er beschuldigt die isländische Regierung der Geheimhaltung von Plänen für einen Ausbau der Militärbasis. 

Karte Island Russland DEU

"Sie wissen, dass die Menschen in Island total dagegen sind - sie wollen kein Militär in Island", so Magnusson. "Wenn sie wüssten, was die wahren Pläne der Amerikaner sind, wären sie absolut angewidert."

Bisher hat es allerdings wenig Widerstand aus der isländischen Bevölkerung gegen den Ausbau des Luftstützpunktes gegeben. Die Regierung betont immer wieder, es bestünden keinerlei Absichten, Keflavik bis zum Niveau des Kalten Krieges aufzurüsten.

Außenminister Thordarson sagt, die Spannungen heute seien zum Glück fern von denen der Hochzeiten des Konflikts zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion. Island sei nach wie vor sicher. "Ich denke, dass das bilaterale Abkommen [mit den USA] und unsere Mitgliedschaft in der NATO die Grundsteine unserer Sicherheit sind", so Thordarson. "In einer perfekten Welt bräuchten wir keinerlei Militär, aber in solch einer Welt leben wir nicht."