Nationaler Egoismus bremst Terrorabwehr
24. März 2016Wir leben in einer globalisierten Welt. Das gilt auch für den Terror, speziell den des sogenannten Islamischen Staates. Von Südostasien bis nach Afrika bis in die USA und immer wieder nach Europa zieht sich die blutige Spur der Anschläge. Und wenn die Anschlagserie in Brüssel eines gezeigt hat, dann, dass nationalstaatliche Antworten auf diese globale Bedrohung zu kurz greifen. Deutlich wird das an dem Thema Informationsaustausch, das bei der Sitzung der EU-Innenminister am heutigen Donnerstag wohl eine zentrale Rolle spielen wird, auch auf Initiative des deutschen Innenministers Thomas de Maizière. Zu viele Stellen in der EU sammeln auf zu unterschiedliche Weise Daten, die sie anschließend nur zögerlich miteinander austauschen. Weshalb der Terror-Experte Peter Neumann vom Londoner Kings-College in der ARD auch kritisierte: "Es gibt bis heute nicht eine Datei, die allen europäischen Staaten zugänglich ist, in der alle Auslandskämpfer und alle Terrorverdächtigen abgespeichert sind."
Datenaustausch ist freiwillig
Dabei fehlt es nicht an Versuchen. Nach jedem Terroranschlag gab es neue Initiativen, neue Gesetzesvorhaben - angefangen mit den Anschlägen in New York auf das World Trade Center 2001. Seither hat es in der EU rund 200 Initiativen zur verbesserten Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten gegeben. Und einiges wurde auch geschafft: Erst im Januar nahm in Den Haag bei Europol das "European Counter Terrorism Centre" (ECTC) seine Arbeit auf. Knapp 50 Spezialisten sollen dort Informationen über Terroristen zusammentragen und auswerten. Oft klafft hier wie auch anderswo eine gewaltige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Plan und Umsetzung. Denn das ECTC funktioniert nur, wenn die Mitgliedsstaaten die Informationen liefern. Dazu aber sind sie nicht verpflichtet. Und der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok kritisiert, dass nur fünf von 28 EU-Staaten regelmäßig relevante Informationen an Europol weitergeben.
Datenbanken lückenhaft gefüttert
Das gleiche gilt für EU-weite Datenbanken wie zum Beispiel das Schengen-Informations-System. Hier werden im Schengen-Raum unerwünschte, vermisste und zur Fahndung ausgeschriebene Personen gespeichert. Die Datenbank enthält daneben auch Informationen über gestohlene Autos , Ausweise und Waffen. Rund 50 Millionen Datensätze finden sich in diesem System. In der Praxis aber funktioniere das nur rudimentär, so der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Einige Länder weigern sich – zum Teil aus Kapazitätsgründen – die Daten einzugeben." Das gleiche gelte für das System Eurodac. In der Theorie soll dieses System die Fingerabdrücke jedes Asylbewerbers bei der Ersterfassung aufnehmen, daneben auch die Daten von illegal Einreisenden. Polizistenvetreter Schulz ist deutlich: "Eurodac ist ein System, wo man eigentlich erkennen sollte: wo ist jemand eingereist nach Europa, wann ist er eingereist. Aber auch da gibt es nur rudimentäre Daten - wenn überhaupt".
Neben diesen beiden Datenbanken gibt es unter anderem noch das Visa-Informationssystem. Weitere Systeme sind in Planung, wie etwa die Datenbank für Fluggastdatenspeicherung (Passenger Name Records, PNR). Druck machen will Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière beim Aufbau eines Ein-Ausreise-Registers (Entry-Exit-System, EES) für die Schengen Staaten.
Hindernis Föderalismus
Interessanterweise wollen selbst die ansonsten besonders dem Datenschutz verpflichteten Grünen den Austausch der Daten vorantreiben. Der Grünen-Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Innen- und Justizausschusses im EU-Parlament, forderte am Mittwoch die Regierungen der EU auf, sich endlich auf "einheitliche Regeln zum schnellen Austausch von Informationen und für den Umgang mit Daten von Verdächtigen und Beschuldigten zu verpflichten."
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Was der deutsche Innenminister an Datenaustausch für Europa fordert, funktioniert selbst innerhalb des föderal aufgebauten Deutschlands oft nur mangelhaft. Knapp 40 verschiedene Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sind mit der Abwehr von Terror betraut. Auch wenn es seit Ende 2014 das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum gibt, in dem Vertreter dieser Behörden sich austauschen - im Alltag herrscht der Informationsegoismus der Länder vor. Der Praktiker André Schulz betont, der Bund deutscher Kriminalbeamter bemängele seit Jahrzehnten den mangelnden Informationsaustausch zwischen den Bundesländern. "Wir scheitern oftmals schon von Landesgrenze zu Landesgrenze", kritisiert Schulz - und verweist auf den NSU-Komplex, der dies deutlich gezeigt habe.