Nach Solingen: Messerverbote und schnellere Abschiebungen
29. August 2024Am 23. August hat ein mutmaßlicher Islamist auf einem Stadtfest in Solingen in Nordrhein-Westfahlen drei Menschen erstochen und damit die Debatte um schärfere Gesetze erneut entfacht. Nun lässt die Bundesregierung ihrer Ankündigung, Gesetze verschärfen zu wollen, Taten folgen: Geplant sind ein strengeres Waffenrecht, schnellere Abschiebungen abgelehnter und straffällig gewordener Asylbewerber und Streichung von Sozialleistungen.
"Messer haben auf Volksfesten, Sportveranstaltungen oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen nichts zu suchen. Deshalb wird es hier ein Messerverbot geben", sagte Innenministerin Nancy Faeser. Auch auf Bahnhöfen, die oft kriminelle Hotspots sind, soll die Polizei künftig Messer verbieten können. Und in Fernzügen ist ein grundsätzliches Verbot vorgesehen.
Auch Jugendliche sollen ausgewiesen werden
Justizminister Marco Buschmann erläuterte, welche Folgen Verstöße gegen die geplanten Verbote für Flüchtlinge und Asylbewerber haben sollen: "Wer in Deutschland Menschen mit einem Messer angreift oder bedroht, muss rasch abgeschoben werden. Und deshalb werden wir entsprechende Regeln für ein besonderes Ausweisungsinteresse schaffen. Und das wird auch für Jugendliche gelten."
Flüchtlinge, die ihr Heimatland besuchen, müssen künftig ebenfalls mit ihrer Abschiebung rechnen. Buschmanns Begründung: "Wer eine Urlaubsreise in sein Heimatland unternimmt, über das er uns vorher mitgeteilt hat, dass er sich dort nicht sicher aufhalten kann, verhält sich widersprüchlich und muss seinen Schutzstatus verlieren."
Keine Sozialleistungen für eine bestimmte Gruppe von Asylbewerbern
Außerdem sollen Asylbewerber, die ihren ersten Antrag in einem anderen Land der Europäischen Union (EU) gestellt haben, von Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Der mutmaßliche Attentäter von Solingen, Issa Al H., wäre ein solcher Fall gewesen. Er hatte vor seiner Weiterreise nach Deutschland in Bulgarien Asyl beantragt. Als er zurückgeschickt werden sollte, war er aus seiner Flüchtlingsunterkunft verschwunden.
Buschmann und Faeser bekräftigten zudem die Absicht, schwere Straftäter und mutmaßliche Terroristen nach Syrien und Afghanistan abschieben zu wollen. Das Problem: Zu beiden Ländern unterhält Deutschland keine diplomatischen Beziehungen. Außerdem halten Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl für das Vorhaben für verfassungswidrig. "Das Völkerrecht verbietet eindeutig jegliche Abschiebungen in diese Herkunftsstaaten. In beiden Ländern drohen Folter und unmenschliche Strafen", erklärte Pro Asyl nach dem Terrorakt in Solingen.
Faesers Motto: "Keine Waffen für Extremisten!"
Um die Erfolgsaussichten der geplanten Maßnahmen zu erhöhen, will die Innenministerin die Sicherheitsbehörden mit weiteren Befugnissen ausstatten. Ihr Motto: "Keine Waffen für Extremisten!" Dafür sollen die Hürden, um einen Waffenschein zu erhalten, erhöht werden. Wer einen Antrag stellt, soll durch Anfragen bei Polizeibehörden und beim Zoll auf seine Eignung überprüft werden. Außerdem will Faeser verdachtsunabhängige Personen-Kontrollen auf unerlaubten Waffenbesitz ermöglichen.
Verschärft in den Blick genommen werden soll das Internet. Mit Hilfe von Programmen zur Gesichtserkennung will die Bundesregierung Sicherheitsbehörden ermächtigen, das Internet zu durchforsten. Besonders im Fokus: soziale Medien. "Damit wird es möglich sein, Tatverdächtige oder gesuchte Personen schneller zu identifizieren", hofft die Innenministerin.
Maßnahmen gegen Radikalisierung im Internet
Angekündigt wurde zudem eine Task Force zu Islamismusprävention: "Schwerpunkt ist hierbei die Radikalisierung von Einzeltätern im Internet", sagte Faser. Fachleute wie Thomas Mücke vom "Violence Prevention Network" (VPN) in Berlin hören das gerne. Seine Organisation kümmert sich um Leute, die sich in extremistischen Milieus bewegen oder wegen Straftaten im Gefängnis sitzen. Die Deradikalisierungsarbeit habe sich in den letzten Jahren hochgradig professionalisiert, sagt der Experte im DW-Gespräch.
"Wir wissen sehr genau, wie wir mit den Menschen arbeiten müssen, um sie aus der Szene wieder rauszuführen." Mit Sicherheitsbehörden arbeite man gut zusammen, die Präventionsarbeit des "Violence Prevention Networks" sei erfolgreich, betont Mücke. Bei nach Deutschland zurückgekehrten Menschen, die sich der Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatten, habe es noch keinen Rückfall gegeben.
Geglückte Integration eines ehemaligen IS-Kämpfers
Dieses Beispiel dürfte auch der Bundesregierung Hoffnung machen, dass ihre nun auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Terrorbekämpfung auf lange Sicht erfolgreich sein könnten. Fachmann Mücke hat schon 2014 mit dem ersten IS-Rückkehrer zu tun gehabt: "Wenn Sie sehen, wie der heute lebt und in der Gesellschaft integriert ist, würden Sie niemals denken, dass das ein Mensch ist, der mal in einem IS-Lager gewesen war."