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Südafrika hofft auf Medaillen

Julia Jaki5. September 2016

In dieser Woche starten die Paralympischen Sommerspiele in Brasilien. Südafrika schickt 44 Athleten nach Rio. Wie steht es im Heimatland von Oscar Pistorius um den Behindertensport?

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Sprinter Jonathan Ntutu mit Sonnenbrille steht startklar auf der Rennbahn (Foto: Julia Jaki)
Jonathan Ntutu ist bereit für den WettkampfBild: J. Jaki

Ein sonniger Mittwochvormittag Ende August. Auf der Tartanbahn des Tygerberg Athletic Club in Kapstadt wärmt sich Jonathan Ntutu auf. Wenige Tage später wird der Leichtathlet zu den Paralympischen Sommerspielen nach Brasilien fliegen. Daher muss er sich schonen, keine Verletzungen riskieren.

Ntutu ist einer von 44 Athleten, die Südafrika in zehn Disziplinen in Rio de Janeiro vertreten werden. Der 32-Jährige ist von Geburt an sehbehindert. Seine Stärke: der 100- und 200-Meter-Sprint. 2012 in London holte er Bronze über 100 Meter. Diesmal will er Gold. Seine Sehbeeinträchtigung spielt für ihn keine Rolle: "Ich sehe mich nicht als behinderten Athleten. In den meisten Wettbewerben auf nationaler Ebene trete ich gegen Menschen ohne Behinderungen an und versuche mein Bestes zu geben."

Ntutu wurde im Gugulethu Township bei Kapstadt geboren, seine Familie hatte nicht viel Geld. Seiner Entwicklung zum Profi-Athleten tat das keinen Abbruch. Seine Eltern schickten ihn auf ein Internat für Sehbehinderte. Mit sechs Jahren begann er zu sprinten und nahm an ersten Schulwettbewerben teil.

Viele Stolpersteine auf dem Weg zum Profi

Bei vielen behinderten Nachwuchs-Athleten aus Townships oder ländlichen Gebieten läuft es nicht so gut ab, weiß Ernesta Strydom von der Sportvereinigung der Körper- und Sehbehinderten (FSSAPD) in der südafrikanischen Provinz Free State. "Es gibt viele Stolpersteine auf ihrem Weg wie etwa Transportmittel und Geld, manchmal mussten wir schon Nahrungsergänzungsmittel verteilen, weil es zu Hause kein Essen gibt."

Neben ihrer Arbeit an der Basis ist Strydom technischer Vorstand im Internationalen Paralympischen Kommitee (IPC). Sie kennt die Probleme des Behindertensports in Südafrika. Talentförderung und Training, so Strydom, funktionierten gut, solange die Athleten noch zur Schule gehen. Voraussetzung: sie besuchen überhaupt eine. Danach fehle es an Geld und Infrastruktur, vor allem an Vereinen für behinderte Sportler auf Gemeindeebene. Strydom empfiehlt ihren Athleten in so einem Fall, in regulären Vereinen zu trainieren, doch nicht alle Trainer seien dazu bereit.

Ernesta Strydom winkt in einem Pekinger Stadion lächelnd in die Menge (Foto: Ernesta Strydom)
Freiwillige wie Ernesta Strydom setzen sich für den Behindertensport in Südafrika einBild: E. Strydom

Moeki Grobbelaar, frühere Paralympics-Teilnehmerin im Kraftdreikampf und Präsidentin des Südafrikanischen Sportverbandes für Menschen mit Körperbehinderungen (SASAPD), sieht die generelle Infrastruktur im Land als gut an. Aber sie sieht auch Mängel: "Ich glaube nicht, dass Südafrika zu diesem Zeitpunkt das Niveau erreicht hat, bei dem man sagen kann, dass es allen Behinderten möglich ist, ihren Sport auszuüben."

Freiwillige füllen wichtige Lücken

Auf Provinz- und Regionalebene haben Freiwillige wie Ernesta Strydom eine wichtige Rolle im Behindertensport. Eigentlich arbeitet sie als Bewegungstherapeutin. Trotz der Engpässe ist sie zufrieden mit den Resultaten: "Es ist schwierig, aber wenn man bedenkt, dass wir das alles mit Freiwilligen machen, dann stehen wir gar nicht so schlecht da."

In der Tat: Im afrikanischen Vergleich steht Südafrika an erster Stelle: 280 Medaillen haben Sportler vom Kap bisher bei Paralympischen Spielen gewonnen. Das ist wenig im Vergleich zum Tabellenführer USA mit über 2300 Medaillen. Kenia kann jedoch nur 43 Medaillen vorweisen, Botswana und zahlreiche andere afrikanische Staaten nur eine oder gar keine. Zwischen 1980 und 1992 war Südafrikas Teilnahme an Paralympischen Spielen zudem aufgrund seiner Apartheid-Politik unerwünscht und später verboten.

Eine neue Generation paralympischer Stars

In den letzten Jahren war "Blade Runner" Oscar Pistorius der paralympische Vorzeigeathlet des Landes - bis er wegen Totschlags an seiner Lebensgefährtin Reeva Steenkamp verurteilt wurde. Doch sein tiefer Fall habe dem paralympischen Sport in Südafrika nicht geschadet, meinen Strydom und Grobbelaar.

SASAPD-Präsidentin Grobbelaar verweist auf andere südafrikanische Paralympics-Stars wie Schwimmerin Natalie du Toit oder Leichtathletin Ilse Hayes Carstens. Auch Jonathan Ntutu bewertet die Causa Pistorius ähnlich: "Er war sicher ein Vorbild für alle, er hat Südafrika als paralympische Nation auf den Plan gebracht. Aber die Sache hat uns nicht negativ beeinflusst, wir sind unser eigenes Team und wir werden als Individuen bewertet."

Eugene Classen, Sprinter im Rollstuhl auf der Tarternbahn (Foto: Celeste Klopper)
Viele Athleten in Südafrika trainieren unter harten Bedingungen.Bild: C. Klopper

Ehe sich Sportler wie Jonathan Ntutu für die Paralympischen Spiele qualifizieren und unter die Fittiche des Olympischen Komitees kommen, müssen sie meist eine lange Durststrecke durchqueren - vor allem finanziell. Die Suche nach Sponsoren ist die größe Herausforderung - für behinderte und nichtbehinderte Sportler.

Jonathan Ntutu hofft, dass die jüngsten Olympia-Erfolge seiner Landsleute positiv abfärben: "Leichtathletik ist generell keine so große Sache in Südafrika, aber jetzt mit den Siegen von Wayde van Niekerk und Caster Semenya zeigen Sponsoren Interesse an Leichtathletik, und ich hoffe, dass der paralympische Sport davon auch profitiert." Eine positive Nachricht gibt es schon: Das südafrikanische Olympische Komitee hat angekündigt, dass die paralympischen Sportler bei Medaillen-Gewinnen dieselbe Prämie erhalten sollen wie ihre Olympia-Kollegen.