Kongo: Sammelbecken für Rebellen
11. November 2013In Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, herrscht Siegesstimmung. Auf großen Plakaten wird die Armee gepriesen. Keine zwei Wochen hat deren entscheidende Offensive gegen die M23-Rebellen gedauert. Die Miliz hatte seit April 2012 den Osten des Landes unsicher gemacht und sowohl kongolesische Regierungs- als auch UN-Blauhelmsoldaten blamiert. Nun ist sie militärisch am Ende. Ein echter Frieden für das Krisengebiet liegt aber immer noch in weiter Ferne.
"Dass die M23 zumindest erst einmal besiegt ist, bedeutet keine Stabilität für den Ostkongo", sagt Stefanie Wolters vom Institut für Sicherheitsstudienin Südafrika. Nicht nur ist die angekündigte Friedensvereinbarung, die am Montag (11.11.2013) im Nachbarland Uganda hätte unterzeichnet werden sollen, wegen Streit über Formalien in letzter Minute geplatzt. Es gibt zudem Dutzende weitere nationale und internationale Rebellengruppen, die in dem Gebiet aktiv sind.
Die kongolesische Armee hat bereits angekündigt, wen sie als nächstes ins Visier nehmen will: die FDLR, die "Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas". Die Geschichte dieser Miliz geht zurück auf den Genozid im kleinen Nachbarland Ruanda: 1994 töteten dort militante Hutu rund drei Viertel aller Angehörigen der Tutsi-Minderheit und viele gemäßigte Hutu. Nach dem Völkermord flohen viele der Täter über die Grenze in den Ostkongo. Als FDLR bestreiten sie von dort aus bis heute die Legitimität der ruandischen Tutsi-Regierung und terrorisieren die lokale Bevölkerung.
Für Ruanda rechtfertigt die Präsenz dieser Miliz im Kongo immer wieder Einmischungen auf kongolesischem Boden. Die FDLR zu bekämpfen, war auch ein Ziel der M23, die zu diesem Zweck mutmaßlich von der ruandischen Regierung unterstützt wurde.
"Die FDLR militärisch zu vernichten, wird sehr schwierig sein", sagt Stefanie Wolters. Denn anders als bei der M23 sei nicht klar, wo genau die Stützpunkte der Gruppe seien. Neben einer militärischen Offensive im Kongo müsse es vor allem politische Gespräche zwischen der ruandischen Regierung und der FDLR geben.
Keine staatliche Kontrolle
Doch selbst damit wäre der Kongo noch lange nicht vollständig befriedet. 20 Jahre voller Kriege und Konflikte im Kongo selbst und in seinen Nachbarländern haben zahlreiche weitere Rebellengruppen auf den Plan gerufen. Viele davon haben sich im Laufe dieser Zeit in die Wälder des Ostkongo zurückgezogen, wo der Einfluss der Zentralregierung schwach ist.
Eine dieser Gruppen ist die AFD-NALU, die "Allianz demokratischer Kräfte - Nationale Arme für die Befreiung Ugandas". Sie macht seit Jahren den nördlichsten Teil der kongolesischen Provinz Nord-Kivu an der ugandischen Grenze unsicher. Die verschiedenen Milizen, auf die dieser Zusammenschluss zurückgeht, waren in den 1980er und 1990er Jahren im Widerstand gegen die Regierung von Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni gegründet worden. Seit Kurzem gehen sowohl die kongolesische als auch die ugandische Regierung davon aus, dass die ADF Unterstützung der islamistischen Terrororganisation Al-Shabaab aus Somalia erhält.
Gewalt und Unsicherheit verbreiten auch die Mai-Mai-Milizen, ein Sammelbegriff für eine Reihe von Selbstverteidigungsgruppen im Kongo. Gemeinsam haben sie den Gedanken des Schutzes der jeweils eigenen Bevölkerungsgruppe. Oft gehen sie aber willkürlich gegen angebliche "Eindringlinge" vor. Im Ostkongo sind damit oft Menschen mit ruandischen Wurzeln gemeint.
"Im Osten herrscht schon so lange Kriegszustand, dass viele Leute kein Vertrauen mehr in irgendeine Form staatlich organisierter Sicherheitsleistung haben", sagt Claudia Simons, Kongo-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. In vielen Teilen des Landes sei es deshalb gang und gäbe, dass Dorfgemeinschaften ihre eigenen Milizen aufstellten.
Militärisches Durchgreifen allein genügt nicht
Viele Milizenführer hätten gar kein Interesse daran, die bestehenden Verhältnisse zu ändern, sagt Stefanie Wolters vom Institut für Sicherheitsstudien: "Sie sind zufrieden damit, Warlords zu sein in dem Gebiet, das sie kontrollieren. Sie wollen keine Sicherheit, sondern weiterhin die Rohstoffe der Minen ausbeuten, die in diesem Gebiet liegen, und illegale Steuern kassieren."
Um den rohstoffreichen Osten des Landes tatsächlich zu befrieden, müsse die kongolesische Regierung deshalb noch größere Anstrengungen unternehmen, glaubt auch Claudia Simons. Die Reform der Sicherheitskräfte müsse weiter vorangetrieben werden. Außerdem müssten der Kongo und seine Nachbarländern enger zusammenarbeiten. Das gelte besonders für den Umgang mit den Millionen von Flüchtlingen, die zwanzig Jahre Krieg und Chaos hervorgebracht haben. Auch wenn die kongolesische Armee gerade triumphiert: Sie alleine kann keinen dauerhaften Friede im Kongo herstellen.