München engagiert sich für die Flüchtlinge
1. September 2015Allein 3200 Menschen seien am Montag und Dienstag mit dem Zug aus Ungarn angekommen, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Zigtausende weitere Flüchtlinge warten in Ungarn und auf dem Balkan auf eine Möglichkeit zur Weiterreise in den Westen.
Auf dem Vorplatz im Nordteil des Münchner Hauptbahnhofs werden die Flüchtlinge mit Essen und Getränken versorgt sowie medizinisch untersucht und von der bayerischen Landespolizei registriert. Die Polizei sei zwar gefordert, aber alles verlaufe in geordneten Bahnen, sagte ein Polizeisprecher. "Passanten bringen Kuchen und Süßigkeiten, die Stimmung ist trotz der vielen Menschen sehr entspannt." Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sei sehr groß. Einige Flüchtlinge riefen "Germany, Germany" oder "We love Germany".
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) machte sich vor Ort ein Bild von der Lage und zeigte sich zufrieden mit der Hilfsbereitschaft: "Heute bin ich vor allem stolz auf die vielen Münchner freiwilligen Helfer", sagte er, während einer der Helfer neben ihm knietief zwischen Schachteln mit Bananen, Butterkeksen, Semmeln und Wasserflaschen stand.
Viele der Flüchtlinge sind die Strapazen der vergangenen Tage und Wochen deutlich anzumerken. Sie lagern erschöpft auf dem Boden. "Wir versuchen aber, die Menschen möglichst schnell vom Hauptbahnhof weg zu bekommen", sagte ein Polizeisprecher. Koordiniert von der Regierung von Oberbayern geht es weiter in verschiedene Erstaufnahmeeinrichtungen in ganz Bayern.
Warten in Budapest
Derweil bleibt die Lage in Ungarn unübersichtlich. Der für den Transit Richtung Österreich und Deutschland wichtige Ostbahnhof in der Hauptstadt Budapest wurde an diesem Dienstag immer wieder zeitweise für Flüchtlinge gesperrt. Unter den mehreren tausend Flüchtlingen, die im Bereich des Keleti-Bahnhofs ausharrten, kam es daraufhin zu kleineren Tumulten. Vor dem Bahnhof wartende Flüchtlinge demonstrierten für ihre Weiterreise nach Deutschland und drohten mit Hungerstreik.
Flüchtlingstreffen am Donnerstag in Brüssel
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban reist am Donnerstag nach Brüssel, um mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über die jüngste Zuspitzung der Flüchtlingskrise zu beraten. Es gehe um die Frage, welche Unterstützung Ungarn benötige, das sich "in einer sehr ernsten und dringenden Lage" befinde, sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. Die EU-Kommission hatte Budapest nach der Freigabe des Bahnhofs für Flüchtlinge aufgefordert, die EU-Vorgaben einzuhalten. Nach der Dublin-Verordnung ist eigentlich derjenige Mitgliedstaat für das Verfahren eines Asylbewerbers zuständig, in dem dieser erstmals die Europäische Union betreten hat. Ungarn fühlt sich angesichts des massiven Ansturms von Migranten über die sogenannte Balkan-Route allerdings überfordert. Ein Großteil der Flüchtlinge kommt aus den Kriegsgebieten Syriens und des Nordiraks sowie aus Diktaturen wie Eritrea. Rund 40 Prozent stammen aber vom Balkan und haben so gut wie keine Chance auf ein Bleiberecht in der EU.
Pochen auf Dublin-Vereinbarung
Deutschland und Österreich pochen auf eine Einhaltung der sogenannten Dublin-Regeln. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterstrich, dass die Regelung für die Bundesrepublik weiterhin bindend sei. Wer nach Ungarn komme, müsse sich dort registrieren lassen und auch das Asylverfahren durchlaufen. "Deutschland hat Dublin nicht ausgesetzt."
Auch der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann kritisierte die Vorgehensweise der ungarischen Regierung. "Es ist unverantwortlich, Dublin nicht wahrzunehmen im Sinne, die Registrierung einfach auszusetzen."
Europäischer Gerichtshof verurteilt Italien
Auch wenn der Fokus der Flüchtlingskrise derzeit auf der Balkan-Route liegt, das Problem drängt auch andernorts. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilte Italien wegen des Umgangs mit Flüchtlingen auf der Insel Lampedusa im Jahr 2011.
Die katastrophalen Zustände in einem Aufnahmelager auf der Mittelmeerinsel hätten die "Würde" der Flüchtlinge verletzt. Die Straßburger Richter räumten zwar ein, dass der Flüchtlingsandrang auf Lampedusa für die italienischen Behörden eine gewaltige Herausforderung gewesen sei. Das könne aber keine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen die Menschenwürde sein, wie ihn die Zustände in dem Aufnahmelager darstellten. Italien wurde deswegen des Verstoßes gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention schuldig gesprochen, der "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" verbietet.
Lampedusa war 2011 nach den Aufständen des "Arabischen Frühlings" und der folgenden Flucht zahlreicher Menschen aus Nordafrika einer der Brennpunkte der Flüchtlingskrise. Im September 2011 waren mehr als 55.000 Flüchtlinge auf der kleinen italienischen Insel angekommen.
qu/jj (dpa, rtr, afp, epd)