Filmfest München mit vielen deutschen Werken
27. Juni 2014Den Begriff "Altmeister" würden die drei deutschen Filmgrößen wahrscheinlich erbost von sich weisen: der Regisseur Klaus Lemke (Jahrgang 1940), der Mode- und Filmemacher Willy Bogner (1942) und der Schauspieler Udo Kier (1944). Zwar wurden die drei in der 1940er Jahren geboren, doch haben sie sich etwas Jugendliches, Frisches und Unkonventionelles erhalten. Sie stehen für eine ganz besondere künstlerische Stilrichtung innerhalb der jüngeren deutschen Filmgeschichte.
Drei Außenseiter
Lemke ist ein wilder und provokanter Außenseiter der Regieszene, Bogner ein ehemaliger Skirennfahrer, der für James Bond-Filme mit der Kamera auf die Piste ging, und Udo Kier ein weltweit gefragter Darsteller von inzwischen über 200 Rollen. Das Festival ehrt alle drei Filmgrößen in diesem Jahr mit einer Hommage und Preisen - und weist ganz nebenbei auf die internationale Verflechtung von deutschem und internationalem Kino hin.
Darüberhinaus steht natürlich auch das aktuelle Filmgeschehen im Fokus. Ein paar Wochen nach dem Festival in Cannes, wo das deutsche Kino seit Jahren straflässig vernachlässigt wird, präsentieren sich die Regisseure aus Berlin und München, aus Hamburg und aus der Provinz mit einem geballten Auftritt. In den beiden Sektionen "Neues Deutsches Kino" und "Neues Deutsches Fernsehen" werden insgesamt 34 aktuelle Produktionen gezeigt, die meisten davon als Weltpremiere.
Debütanten versus Etablierte
Auffallend dabei ist, dass sich unter den Regisseuren der Sektion Fernsehen viele bekannte Namen wie Dominik Graf oder Michael Verhoeven tummeln. In der Kategorie Kino hingegen präsentieren sich eher unbekannte und junge Regisseure. Das scheint beim deutschen Film ein Trend zu sein: Junge Frauen und Männer lassen sich an den Filmhochschulen ausbilden, drehen ihre Debüts fürs Kino - und wandern dann ab zum Fernsehen. Dort sind die Arbeitsbedingungen sicherer. Nicht alle schaffen den Sprung zum kleineren Format, doch für viele bieten die TV-Anstalten ein finanzielles Auffangbecken. Wie diese Kino- und Fernsehfilme im Vergleich zueinander abschneiden - das wird eine spannende Frage sein, die in den nächsten zehn Tagen zu beantworten ist.
Der Mann mit den strahlenden Augen
Zwischen den Medien zu wechseln, auch zwischen den verschiedenen Künsten hin und her zu springen, das ist seit langem eine Spezialität des Schauspielers Udo Kier. Er kann, mit nunmehr knapp 70 Jahren, auf eine bewegte Karriere zurückblicken. Der in Köln geborene Darsteller trat 1966 erstmals in einem Film auf. Früh stieß er zum Kreis um den US-Künstler Andy Warhol und agierte in den künstlerischen Horror-Filmen Warhols in der Rolle des Frankenstein und Dracula.
Zusammenarbeit mit großen Regisseuren
Kier, dessen Aussehen und Charisma auf der Leinwand von Regisseuren aus aller Welt geschätzt wird, wurde später zu einem gefragten Akteur bei Rainer Werner Fassbinder und Christoph Schlingensief. Seit Jahren gehört er auch zum festen Ensemble des dänischen Regieexzentrikers Lars von Trier und steht für Regie-Größen wie Gus van Sant vor den Kameras. Das Filmfest München zeigt in einer Welturaufführung die Dokumentation "Arteholic", die Kiers innige Liebe zur Kunst zeigt und verleiht ihm am 30.6. den Ehrenpreis Cine Merit.
Auch der gebürtige Münchner Willy Bogner ist ein Exot unter den deutschen Filmemachern. Ebenso könnte man ihn als Skirennläufer und Modedesigner bezeichnen. Bogner tanzt schon lange auf mehreren Hochzeiten. Zum Kino fand er Mitte der 1960er Jahre, als er mit dem Kurzfilm "Skifaszination" Furore machte - ein Musical auf Skiern, gedreht in Cinemascope, die Anzüge der Sportler entwarf Bogner selbst.
Berühmt durch James Bond
Kein geringerer als James-Bond-Produzent Albert Broccoli wurde auf den jungen Münchner damals aufmerksam. Es entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit. Vier Mal drehte der skiverrückte Kameramann und Regisseur Willy Bogner in den folgenden Jahren Sequenzen für die 007-Agenten-Serie. Mit seinem Film "Feuer und Eis" (unser Bild oben) landete er dann seinen größten Erfolg. Zwei Millionen Deutsche sahen sich 1986 das Kinospektakel an, das ganz auf actiongeladenen Szenen in Schnee und Eis setzte.
Ein junger, alter Wilder
Schließlich widmet sich das Münchner Filmfest einem dritten deutschen Filmschaffenden, der sich seit langem an den Rändern der etablierten Filmszene bewegt. Klaus Lemke, im heute polnischen Landsberg an der Warte geboren, gehörte in den 1970er Jahren zur ersten Riege deutscher Autorenfilmer. Mit Werken wie "Rocker" (1972), einer Hamburger-Kiez-Geschichte und Schwabinger Milieu-Komödie wie "Amore" und "Arabische Nächte" entwickelte Lemke eine ganz eigene Handschrift: Seine Filme waren rotzfrech und rasant inszeniert, billig, oft am Rande des Trash.
Neues und altes Kino beim Filmfest
In den letzten Jahren hat sich dieser Stil radikalisiert. Lemke filmt inzwischen ohne Fördergelder, produziert billig und tabulos. Legendär sind seine öffentlichen Auftritte und Interviews, in denen er das deutsche Kino in Grund und Boden kritisiert. "Wir bauen die schönsten Autos. Wir haben die schönsten Frauen. Aber unsere Filme sind wie Grabsteine", lautet einer jener berühmten Lemke-Slogans, mit denen der Regisseur provozieren will. Auch wenn man ihm nicht in allem folgen mag, so hat sich Klaus Lemke mit seiner Außenseiterrolle eine Nische innerhalb der deutschen Kinoszene erobert.
Das Filmfest München richtet seine Scheinwerfer in diesem Jahr auf drei Exzentriker des deutschen Kinos. Und zeigt gleichzeitig, wie sich der Nachwuchs schlägt. Eine spannende Mischung.