Musiker in Mali kämpfen gegen die Zensur
27. Januar 2013Das Publikum wartet gespannt auf den weltberühmten Musiker Yacouba Sissoko, der gerade die Bühne im Pili Pili Club in Bamako mit seiner Kora betritt. Das traditionelle 21-saitige Instrument ähnelt einer Harfe. Die Bar im Herzen der malischen Hauptstadt Bamako ist nicht nur für seine afrikanische Küche bekannt, sondern auch für die Auftritte der wichtigsten Musiker des Landes. Doch jetzt, wo militante Rebellen den Norden des Landes besetzt halten, wird Musik stark zensiert.
Zouzou, ein Sänger aus Gao im Norden, ist einer der vielen Musiker, die in den Süden des Landes, nach Bamako, geflohen sind, nachdem im letzten Frühjahr die mit der Al-Qaida verbundenen Milizen die Kontrolle über Nordmali übernommen hatten. Die Islamisten verboten jede Form von Musik - sogar Klingeltöne für Mobiltelefone.
"Ich fühle mich sehr schlecht, denn ich komme aus dem Norden. Meine Eltern sind noch dort und leiden. Und die Musik leidet auch," erzählt Zouzou der DW.
Die Milizen haben Verbindungen zu kriminellen Banden, Drogenhändlern und Waffenschmugglern. Und sie werden von religiösem Eifer angetrieben. Extreme Formen der Scharia, des Islamischen Gesetzes, wurden in Timbuktu und überall im Norden angewendet, darunter auch Steinigungen und Amputationen als Bestrafung. Die Islamisten zerstörten Gräber, historisch einzigartige Lehm-Moscheen und UN-Weltkulturerbe-Stätten, weil sie diese für anti-islamisch halten. Sie erließen auch offizielle Dekrete, die jede westliche Musik verbieten.
"Es ist, wie im Gefängnis zu sein, ohne Freiheit. Du brauchst Freiheit um dich wie ein Mensch zu fühlen," sagt Zouzou. "Es ist nicht richtig."
"Festival der Wüste" vertrieben
Nach dem Musikverbot bekamen Musiker immer häufiger Todesdrohungen. Das bedeutete auch das Aus für das berühmte "Festival au désert", das Festival in der Wüste, das seit 2001 jedes Jahr in der Nähe von Timbuktu stattgefunden hatte.
"Darüber sind wir wirklich traurig," sagt Festival-Organisator Manny Ansar, "Wir hatten begonnen, etwas ganz wichtiges für Timbuktu, für ganz Mali aufzubauen. Dass es nun gestoppt wurde, ist wirklich schlimm."
Ansar ist aus Timbuktu. Er kommt aus einer Familie nomadischer Hirten, die in den riesigen Dünen nördlich der Stadt leben. Auch er hat Todesdrohungen erhalten und kann nicht zurück nach Hause. Aber er hat nicht aufgegeben. Er wird das Festival weiter organisieren - an einem anderen Ort, und unter einem anderen Namen: "Festival au désert en exil", also das "Festival der Wüste im Exil". Im Februar reisen zwei Karawanen mit Künstlern durch Westafrika, geben Konzerte und treffen sich schließlich zu einem dreitägigen Finale in Burkina Faso.
"Wir können nicht mit Waffen gegen sie kämpfen", sagt Ansar. "Für mich ist der einzige Weg, mit Kultur und Musik zu kämpfen."
Rappen für den Frieden
Zurück im Pili Pili Club. Amkoullel geht zum Mikrofon. Er gehört zur neuen Generation junger Rapper in Mali, die traditionelle Instrumente, wie die Kora oder die Djembe, eine lederbespannte Trommel, zu modernen Rhythmen und Texten einsetzen.
Der 33-Jährige war der erste Rapper, der vor zwei Jahren beim Festival in der Wüste in Timbuktu auftrat. Er singt über sein Selbstbild, über Immigration und Respekt, und ist schon überall in der Welt aufgetreten, zusammen mit malischen Musiklegenden wie Salif Keïta, Ali Farka Toure und Toumani Diabate.
Für sein Projekt "Plus Jamais ça" - "Nie wieder so etwas" - brachte er Rapper, Aktivisten und Freunde zusammen, um die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, in Mali zu intervenieren. So entstand das Musikvideo "S.O.S", das auch die malischen Behörden auf ihn aufmerksam machte. "SOS" kam letzen März, acht Monate vor dem Militärputsch heraus. Es zeigt Videoaufnahmen von Männern mit Gewehren, Frauen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, und von Marschierenden.
Amkoullel sagt, er hätte das Lied geschrieben, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, um dem, was derzeit in Mali geschieht, ein Ende zu setzen. Aber das Lied darf in den von der Regierung kontrollierten Medien nicht gespielt werden - auch nicht im Süden. Auch Amkoullel bekam Todesdrohungen. "Ich habe nichts Falsches über die Regierung gesagt, also verstehe ich nicht, wovor sie Angst haben", sagt Amkoullel. "Aber ich werde als Künstler weiter das tun, was ich tun muss."
Ebenso wie Manny Ansar und die anderen Musiker im Pili Pili Club glaubt Amkoullel nicht, dass die Musik Malis verstummen wird. Er gibt zu, dass die Stimmen der Künstler im Norden zum Schweigen gebracht werden. Aber für ihn ist die Musik viel zu tief im Land und im Leben der Menschen in Mali verankert, als das sie jemals zum Schweigen gebracht werden könnte.