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Hoffen und Bangen in Mali

Katrin Gänsler24. Januar 2013

In Mali scheint die Zustimmung für die Intervention Frankreichs ungebrochen. Trotzdem ist vielen Menschen klar: Der Einmarsch löst nicht alle Probleme. Die Malier in der Hauptstadt sorgen sich um ihre Familien im Norden.

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Der malische Junge Mama Lah verkauft französische Flaggen auf der Straße in der Hauptstadt Bamako. (Foto: Katrin Gänsler)
Bild: DW/K. Gänsler

Vor dem "Hotel l'Amitié", einem riesigen hässlichen Klotz im Zentrum von Bamako, springt die Ampel auf Rot. Das ist das Startsignal für Mama Lah und seine Freunde. Die Jungs flitzen zu den wartenden Autos. Anders als sonst wollen sie den Fahrern im Moment aber keine Taschentücher, Scheibenwischer oder Tageszeitungen andrehen. Seit knapp zwei Wochen ist die Tricolore der Verkaufsschlager. "Die Flaggen stehen für die Intervention Frankreichs", erklärt Mama Lah stolz und wedelt eine Flagge hin und her.

Wie die übrigen Jungs begrüßt der schmächtige Mama Lah das Einschreiten der einstigen Kolonialmacht. "Wir feiern die Franzosen, weil sie gegen die Rebellen im Norden kämpfen", sagt er. Dann winkt ihn ein Autofahrer heran. Ohne mit der Wimper zu zucken kramt der 600 CFA-Francs - etwa 90 Cent - aus seiner Hemdtasche. So viel kostet eine kleine Flagge. Wer die große will, muss 2000 CFA-Francs - umgerechnet drei Euro - hinblättern. Mama Lah nickt zufrieden. Die Militäroffensive ist für ihn schließlich ein gutes Geschäft: "Im Schnitt verkaufe ich 20 bis 30 Flaggen pro Tag." Französische, wohlgemerkt. Die Bilanz für malische Flaggen fällt nicht so gut aus - obwohl gerade der Afrika Cup stattfindet und Mali das erste Spiel sogar gewonnen hat.

"Vive la France!" - "Es lebe Frankreich!"

Auch knapp zwei Wochen seit dem Beginn der französischen Militäroffensive im Norden Malis scheint die Zustimmung dafür in der Hauptstadt Bamako ungebrochen. Ausländern wird gerne zugerufen: "Vive la France!" - "Es lebe Frankreich!" - ganz egal, ob sie nun Franzosen, Deutsche oder Amerikaner sind. Denn die Hoffnung, dass die Intervention die Gräueltaten im Norden beenden kann, ist groß.

Ein malischer Junge zeigt zwei kleine französische Flaggen. (Foto: Katrin Gänsler)
Überall in Bamako werden französische Flaggen verkauftBild: DW/K. Gänsler

Darauf setzt auch die 34-jährige Oumou Traoré. Sie stammt aus Gao, im Nordosten des Landes gelegen, und rettete sich vor ein paar Wochen nach Bamako. An die vergangenen Monate in ihrer Heimat erinnert sie sich nicht gerne: "Im Norden habe ich sehr viel gesehen. Diese bewaffneten Banditen, die Frauen vergewaltigt haben, die ihnen alles gestohlen haben. Das war so anmaßend."

Vergewaltigungen im Norden

Die Frage, ob sie selbst vergewaltigt wurde, lässt Oumou Traoré einen Moment zögern. Doch dann schüttelt die Mutter von zwei Kindern den Kopf. Sie habe Glück gehabt, flüstert sie fast. Dann redet sie sich ihre Wut von der Seele: "Die Islamisten sind immer wiedergekommen. Aber auch die Mitglieder der Befreiungsbewegung von Azawad. Sie haben sich maskiert." Ganz besonders schlimm für sie war: Keine Frau habe zur Polizei gehen können. "Dort sitzen sie ja auch, überall sind sie. Es gibt ja keine Verwaltung mehr."

Gegen diese Zustände soll nun die malische Armee gemeinsam mit Truppen aus Frankreich und den 3300 Soldaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS kämpfen. Auch der Tschad, der kein ECOWAS-Mitglied ist, will 2000 Soldaten schicken. Mehrere europäische Länder, darunter auch Deutschland, stellen logistische Hilfe bereit. Deutschland schickte zwei Transall-Maschinen für den Truppentransport nach Mali und will sich an einer EU-Mission zur Ausbildung malischer Truppen beteiligen. Schon jetzt werden von französischer Seite gerne die ersten Siege verkündet. Doch ob die Besatzer tatsächlich aus umkämpften Städten wie Konna und Diabaly vertrieben worden sind, lässt sich aus der Hauptstadt Bamako im Süden nicht überprüfen.

Französische Soldaten trainieren in Malis Hauptstadt Bamako für ihren Einsatz im norden des Landes. (Foto: REUTERS/Joe Penney)
Französische Truppen in BamakoBild: Reuters

Angst vor einem langen Krieg

Beobachter warnen deshalb schon jetzt vor einem langen Krieg. "Genau das wollen die Malier nicht. Heute applaudieren sie zwar der französischen Armee. Aber sie sind gegen lange Kämpfe", erklärt Alassane Dicko vom Verband der malischen Vertriebenen, der sich im Moment hauptsächlich um Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Norden kümmert.

Nigerianische Soldaten bereiten ihren Einsatz im Norden Malis vor (Foto: Katrin Gänsler)
Nigerianische Soldaten laden einen LKW abBild: DW/K. Gänsler

Für Dicko muss deshalb vor allem eines passieren: Neben der Militärintervention soll es einen verpflichtenden Dialog geben. Denn selbst wenn die Islamisten und Terroristen aus dem Norden vertrieben werden, sind damit nicht automatisch alle Probleme gelöst. Im Norden gab es beispielsweise in den vergangenen 22 Jahren immer wieder Aufstände der Tuareg-Bevölkerung. Diese fühlt sich seit Jahrzehnten benachteiligt. "Dieses Problem muss in Angriff genommen werden", fordert Dicko.

Um darauf aufmerksam zu machen, plant Dickos Organisation eine "Bürgerkarawane für den Frieden in Mali." Sie soll außerdem all jenen gedenken, die bereits im Krieg umgekommen sind und Gewalt - in welcher Form auch immer - am eigenen Leib gespürt haben. Wann dieser Marsch stattfindet, ist noch ungewiss: Zurzeit ist es zu gefährlich.

Die Telefonleitungen sind tot, die Straßen gesperrt

Oumou Traoré hat andere Sorgen. Ihr großer Bruder lebt mit seiner Familie noch in Gao. Doch sie weiß nicht, wie es ihm geht. Seit Tagen hat sie nichts von ihm gehört. Anrufen kann sie ihn nicht: "Seit vier oder fünf Tagen geht das nicht mehr. Die Banditen haben alle Leitungen gekappt." Sie versucht, tapfer zu lächeln. "Ich habe große Angst um meine Familie. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen kommen. Aber es geht nicht. Die Straßen sind gesperrt." Jetzt hofft Oumou Traoré, dass ihre Familie über die Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso nach Bamako kommen kann.

Porträt von Oumou Traoré, Flüchtling im eigenen Land (Foto: Katrin Gänsler)
Oumou Traoré: Flüchtling im eigenen LandBild: DW/K. Gänsler