Moskaus Flirt mit der Hamas
31. August 2017Anfang August fand der russische Botschafter im Iran, Luan Jagaryan, für die palästinensische Hamas ausgesprochen freundliche Worte: Diese sei keine Terrororganisation. Vielmehr sei sie eine nationale Bewegung und eine der politischen Repräsentationskräfte der Palästinenser.
Die Worte fielen in Anwesenheit des Repräsentanten der Hamas in Teheran, Khaled Kaddoumi. Er hörte sie noch vor der arabischen Öffentlichkeit, an die sie wohl auch gerichtet waren. Denn bei ihr lässt sich mit Solidaritätsadressen in Richtung der Palästinenser oder derer islamistischer Vertretungen nach wie vor politisches Kapital schlagen.
Zuvor hatte es Russland auch an Taten nicht fehlen lassen: Im August 2016 traf sich der stellvertretende russische Außenminister Mikhael Bogdanov in der katarischen Hauptstadt Doha mit Khaled Maschal, einem der obersten Führer der Hamas. Sie tauschten sich hauptsächlich über den Nahost-Prozess aus, hieß es. Weiteres wurde nicht bekannt. Aber der bloße Umstand, dass die beiden sich trafen, war bereits eine starke Botschaft. Maschal hatte sich ein Jahr zuvor schon mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow ausgetauscht.
"Moskau als eine der bedeutendsten Hauptstädte der Welt"
Das neue, sorgfältig inszenierte Einvernehmen kommt beiden Seiten entgegen. Die Hamas sieht sich durch das Treffen zum einen international aufgewertet. Zum anderen hoffen ihre Führer auf praktischen politischen Beistand. "Die Annäherung zwischen Russland und der Hamas dokumentiert, dass letztere auf Moskau als eine der bedeutendsten Hauptstädte der Welt angewiesen ist, um die furchtbaren Vereinigten Staaten und die Angriffe Israels abzuwehren", sagte der diplomatische Berater des palästinensischen Behörden in Gaza, Taysir Mohaisen, nach dem Treffen.
Umgekehrt liege auch der Nutzen für Moskau auf der Hand: So sehe Russland in der Hamas einen einflussreichen Partner, wenn es um seinen Einfluss auf die Palästinenser gehe. Und noch etwas zähle, sagte Mohaisen: "Es scheint, als wolle Präsident Putin das Sowjetreich zumindest in Teilen wiederherstellen und sei der Ansicht, dass die Sache der Palästinenser und die Hamas eines der Tore zum Nahen Osten sind." Darum habe Russland, anders als die EU und die USA, die Hamas auch nicht als Terrororganisation klassifiziert.
Russische Politik zwischen Pragmatismus und Opportunismus
Russland, so heißt es in einer Studie der Rand-Corporation, setze sich in seiner Außenpolitik weniger Selbstbeschränkungen als der Westen. Das ermögliche dem Land einen flexiblen Kurs, bei dem es sich von "kurzfristigem Pragmatismus" leiten lasse, den man auch als "Opportunismus" bezeichnen könne. Zugleich fehle ihm die ökonomische und militärische Kraft, eine langfristige Strategie durchzuhalten. So setze das Land auf politische Gelegenheiten, wo immer sie sich böten.
Diesem Kurs scheint Russland auch im Umgang mit der Hamas zu folgen. Zu ihr lässt Moskau, anders als der Westen, keine politische Distanz erkennen. "Wenn Russland seine Beziehungen zur Hamas verbessert, findet es zugleich Zugang zu den übrigen islamistischen Bewegungen", sagt der an der Universität Nablus lehrende Politikwissenschaftler Abdul Sattar Qassem dem Internet-Portal Al-Monitor. Es sei kein Zufall, dass sich der russische Botschafter in Teheran geäußert habe, so Sattar Qassem. Er sieht darin eine indirekte Einladung an die Hamas, sich der schiitischen, von Teheran geführtenAnti-Israel-Achseanzuschließen. Dass die Hamas eine sunnitische Organisation ist, scheint bei diesem Kalkül zweitrangig.
Druck auf Israel
Das Bündnis mit der Hamas - zusätzlich zur militärischen Zusammenarbeit mit dem Iran - ist für Russland eine Chance, sein politisches Gewicht in der Region enorm zu vergrößern. Die Hamas, die sich ganz wesentlich durch den - bewaffneten - Widerstand gegen Israel definiert, würde durch ein gutes Verhältnis zu Russland erheblich gestärkt. Das wiederum würde das Gewicht Russland gegenüber Israel vergrößern - und damit indirekt auch gegenüber dessen Schutzmacht USA. Auch der russische Botschafter in Israel, Alexander Shein, hatte Mitte Juni erklärt, sein Land betrachte weder die Hisbollah noch die Hamas als Terrororganisationen.
Das neue Verhältnis zur Hamas lässt darauf schließen, dass Russland seinen bereits vor geraumer Zeit eingeschlagene Kurs auch künftig einhält. Denn so schwierig das Verhältnis zum Iran im gemeinsamen Syrien-Engagement auch sein mag: Zusammen mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah übt es auf Israel bereits jetzt erheblichen Druck aus. Mit der Hisbollah steht ein Verbündeter Teherans bereits unmittelbar an der Grenze zu Israel.
Russland als Vermittler?
Israel reagiert auf diesen Druck bislang mit diplomatischen Mitteln. Noch in der vergangenen Woche hatte der israelische Premier Benjamin Netanjahu den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi getroffen. Es war das sechste Treffen der beiden Politiker seit Ausbruch des Krieges in Syrien. Netanjahu warnte vor den Folgen einer iranischen Präsenz in unmittelbarer Nähe Israels. Würde Teheran Truppen auf den Golanhöhen stationieren, käme Israel in gewaltige Bedrängnis. Eine solche Situation könnte die gesamte Region in einen neuen Krieg stürzen, warnte Netanjahu.
Durch die betont gute Beziehung zur Hamas scheint sich Russland nun als Vermittler ins Spiel bringen zu wollen - in einem Konflikt, in dem es zugleich Partei ist. Seine Rolle dürfte sich Russland politisch bezahlen lassen wollen. Noch ist offen, wie.