Moria-Flüchtlinge sollen auf Lesbos bleiben
10. September 2020Nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria sind auf der griechischen Insel Lesbos noch tausende Menschen ohne Unterkunft und Nahrung. Das griechische Fernsehen zeigte Bilder von Menschen, die am Straßenrand lagen und auf Hilfe warteten. Einige übernachteten auf einem Friedhof. Die griechischen Behörden suchen nach Lösungen. So soll zunächst für Familien und besonders bedürftige Menschen eine neue Unterkunft beschafft werden. Eine Fähre mit Platz für hunderte Personen wurde nach Lesbos entsandt, wie das Migrationsministerium in Athen mitteilte. Zwei Marine-Schiffe sollen zusätzliche Schlafmöglichkeiten bieten.
Auch drei Flugzeuge wurden nach Lesbos geschickt, um 406 unbegleitete Minderjährige aufs Festland nach Nordgriechenland zu bringen. Die EU hatte angeboten, diese Unterbringung zu finanzieren. Zudem soll nach Angaben der Regierung in Athen an Sammelpunkten auf Lesbos Essen ausgegeben werden - zusammen mit Hilfsorganisationen.
Helfer kommen nicht an Betroffene ran
Aus deren Reihen wird die Forderung laut, dass sie Zugang zu den Flüchtlingen bekommen. Denn die beiden Zufahrtstraßen nach Moria seien von Militär und Polizei abgesperrt worden, sagte die Berliner Krankenschwester Christine Schmitz, die seit August für die Hilfsorganisation "Medical Volunteers International" auf Lesbos ist.
Auch "Ärzte ohne Grenzen" berichtete von Schwierigkeiten, die Geflüchteten zu erreichen. Die Helfer würden durch Straßenblockaden von Bewohnern der Region daran gehindert, ihre Klinik vor dem Lager zu erreichen. "Wir brauchen Zugang zu den Menschen, die sich noch im zerstörten Lager und in unserer Einrichtung befinden. Medizinische Hilfe zu verhindern ist völlig inakzeptabel", hieß es. Laut "Mission Lifeline" schmuggeln derzeit Privatleute über Schleichwege Wasser und Nahrung zu den Menschen. "Die griechische Polizei versucht, jegliche Hilfe zu verhindern."
Anwohner wollen keine neuen Zelte
Überlegungen, übergangsweise neue Zelte auf Lesbos für die Flüchtlinge aufzustellen, stießen auf Widerstand der einheimischen Bevölkerung und der Behörden vor Ort. "Wir haben Schwierigkeiten, Zelte für die Unterbringung dieser Menschen aufzustellen", räumte Giorgos Koumoutsakos vom Migrationsministerium ein. Die Bewohner von Lesbos, die anfangs die vielen Flüchtlinge freundlich aufgenommen und ihnen geholfen hatten, haben über die Jahre eine zunehmend ablehnende Haltung entwickelt.
Am Dienstagabend war das völlig überfüllte Flüchtlingslager durch mehrere zeitgleiche Brände in weiten Teilen zerstört worden. Durch ein zweites Feuer am Mittwochabend verbrannte auch der verbliebene Teil fast vollständig. Ernsthaft verletzt wurde durch die Brände niemand, fast 13.000 Menschen wurden aber obdachlos.
Feuer durch Brandstiftung entstanden
Die griechische Regierung geht von gezielter Brandstiftung durch Migranten aus. "Das Feuer wurde von Menschen gelegt, die Asyl beantragt haben - als Reaktion auf die wegen des Coronavirus verhängte Quarantäne", sagte Regierungssprecher Stelios Petsas. Es handele sich um Menschen, die "ihr Gastland nicht respektieren". Mit solchen Aktionen jedoch torpedierten diese Menschen jede Lösung. "Wir sagen es ihnen klipp und klar: Sie werden nicht wegen des Feuers die Insel verlassen. Das können sie vergessen."
Damit wurde einer schnellen Verlegung der tausenden Flüchtlinge aufs Festland eine Absage erteilt. Auch der stellvertretende Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos schloss aus, dass nach den rund 400 Minderjährigen auch erwachsene Migranten die Insel verlassen dürfen. "Wer denkt, er könne zum Festland und dann nach Deutschland reisen, der soll es vergessen."
Neben dem Umgang mit den Migranten sorgt das Coronavirus für zusätzliche Probleme. Kurz vor dem Brand war bekannt geworden, dass 35 Migranten in dem Lager positiv getestet wurden. Nun ist die Angst vor einem unkontrollierbaren Ausbruch groß. Denn nach dem Feuer konnten nur acht Betroffene ausfindig gemacht werden. Wo die restlichen Personen sind, ist unklar. Sie könnten nun andere Menschen anstecken. Die griechische Regierung will nun in den nächsten Tagen 19.000 Coronatests auf Lesbos durchführen.
cwo/qu (afp, dpa, rtr)