"Es geht um Glaubwürdigkeit"
6. Juli 2018Deutsche Welle: Frau Zerrougui, Sie leiten die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo, einem Land, das sich auf wichtige Wahlen im Dezember vorbereitet. Seit Jahren wird um die Nachfolge von Präsident Joseph Kabila gerungen, dessen Mandat im Dezember 2016 offiziell endete. Doch es gibt viel Kritik an den Wahlvorbereitungen, und noch ist nicht bekannt, ob Kabila erneut kandidiert. Was macht die MONUSCO in diesem Moment, in dem der Kongo dringend auf internationale Unterstützung angewiesen ist?
Leila Zerrougui: Wir haben ein partnerschaftliches Verhältnis mit dem Kongo. Unser Mandat ist sehr klar umrissen: Der Schutz der Bevölkerung hat oberste Priorität. Gleich an zweiter Stelle steht die Unterstützung bei der Umsetzung des Silvesterabkommens von 2016 (das die Ablösung von Präsident Kabila durch Wahlen regeln soll, Anm. d. Red.) und bei der Vorbereitung der bevorstehenden Wahlen.
Die Wahlen sind für den 23. Dezember geplant. Sehen Sie sich in ihre Organisation miteinbezogen, wie es Ihr Mandat fordert?
Es ist wie in einer Familie: Man lebt und arbeitet zusammen. Nicht immer sieht es rosig aus, aber es ist auch nicht immer alles düster. Manchmal versteht man sich und macht Fortschritte, manchmal ist man sich uneins. Was die Wahlen angeht, haben wir seit meinem Antritt eine klare Linie gefahren. Wenn die Leute spekulierten, ob es Wahlen gibt oder nicht, habe ich gesagt: Spekulationen bringen uns nicht weiter. Wir haben eine Agenda, ein Abkommen, die von allen Beteiligten bestätigt wurden, wir haben ein Datum für die Wahl - also arbeiten wir darauf hin und bereiten uns vor.
Und wie steht es nun um Ihre Beteiligung bei der Vorbereitung der Wahlen?
Wir sind natürlich mit eingebunden. Wir sind Partner, wir (die MONUSCO, Anm. d. Red.) haben Personal, das mit der nationalen Wahlkommission zusammenarbeitet. Wir für unseren Teil fokussieren dabei auf den Aspekt der Medien und den Schutz der Bevölkerung. Wir führen auch eine Bewertung des Prozesses durch und sind darüber im Gespräch. Ich selbst habe eine Schlichtungsfunktion, treffe mich also regelmäßig mit kongolesischen Beteiligten. Und wir helfen bei der Logistik. Wenn der Kongo da ohne uns auskommt, umso besser. Wir müssen da nicht um jeden Preis mithelfen.
Offenbar wird Ihre Hilfe aber in Anspruch genommen.
Ja, aber wir wollen uns auch nicht aufdrängen - wir haben genug Aufgaben vor uns. Wir tun es, weil wir den Auftrag haben, zu vermitteln, den Prozess zu begleiten und vor dem UN-Sicherheitsrat Bericht zu erstatten.
Wie stehen Sie zu den Vorwürfen, vor allem aus den Reihen der Opposition, dass es an Transparenz fehle? Da ist die Rede von künstlich aufgeblasenen Wählerlisten, oder man zweifelt an den Wahlmaschinen aus Südkorea, die als "Betrugsmaschinen" dargestellt werden.
Die Regierung hat den Auftrag, die Wahlen zu organisieren. Unser Auftrag besteht darin, Unterstützung zu leisten - aufseiten der Opposition wie im Regierungslager. Ich spreche mit der Regierungskoalition, auch dort werden Beschwerden geäußert. Es geht hier nicht darum, mit dem Finger zu zeigen und festzulegen, wer Recht und wer Unrecht hat. Solche politischen Debatten haben ihren Platz, und das ist nichts Schlechtes, sie zeugen von einer gesunden Gesellschaft. Diese Kritik von Teilen der Opposition ist bekannt, und wir reden darüber mit allen Beteiligten. Auch in der Regierung und in der Wahlkommission wird darüber gesprochen.
Wie muss mit dieser Kritik umgegangen werden?
Wir sagen, dass diese Dinge, bei denen es um die Glaubwürdigkeit der Wahlen geht, mit aller Kraft korrigiert werden müssen. Denn was ist Glaubwürdigkeit? Glaubwürdigkeit ist, wenn die verschiedenen Parteien dem Prozess Glauben schenken und zur Wahl gehen. Der wahre Test steht uns am 8. August bevor.
Das ist das Datum, an dem wir wissen werden, ob sich Präsident Joseph Kabila - ungeachtet der massiven Proteste der letzten Jahre - erneut zur Wahl stellt.
Dann werden wir wissen, wo Opposition und Regierungslager wirklich stehen. Wir werden sehen, wie sie mit der jeweiligen Situation umgehen werden. Ich will schlicht betonen, dass es Vorbehalte auf beiden Seiten gibt. Ich versuche, zu vermitteln und auf eine Einigung im Guten hinzuwirken. Das Entscheidende ist doch, dass die Kongolesen dieses Jahr eine friedliche Weihnacht erleben, und dass sie über die Feiertage nicht ihre Toten auflesen müssen.
Leila Zerrougui leitet seit Februar die Mission der Vereinten Nationen im Kongo (MONUSCO). Die algerische Juristin war zuvor auf verschiedenen Positionen für die UN tätig. So war sie seit 2008 für vier Jahre stellvertretende Leiterin der MONUSCO (damals MONUC), bevor sie 2012 Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Kinder in Bewaffneten Konflikten wurde.
Das Interview führte Kossivi Tiassou.