Moldova braucht Aufmerksamkeit
14. Mai 2009Deutsche Welle: Die Moldau steckt in großen Schwierigkeiten: Armut, Arbeitslosigkeit, Konflikt in Transnistrien, politische Unruhen. Was kann Deutschland, was die EU machen? Gibt es einen Masterplan?
Rainder Steenblock: Es gibt keinen Masterplan, aber es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die wir nutzen können, um die Situation in Moldau zu stabilisieren, und zwar in Richtung demokratischer Reformen: mehr Freiheitsrechte, Zivilgesellschaft, Einhaltung von Menschenrechten. Das ist es, was wir aus der EU heraus gerne möchten. Und das will wohl auch die große Mehrheit der moldauischen Bevölkerung. Moldau braucht vor allen Dingen die Aufmerksamkeit der EU, die Gewissheit, dass es kein vergessenes Land ist. Es braucht natürlich auch die Perspektive verstärkter Zusammenarbeit mit der EU im wirtschaftlichen Bereich, in Richtung Freihandel und Visa-Erleichterungen.
Etwa ein Drittel der moldauischen Bürger hat bereits rumänische Pässe. Welche Probleme entstehen daraus? Wird die Moldau schleichend in die EU kooptiert?
Nein, ich glaube, dass das nicht passieren wird. Auch in der EU gibt es Kritik, dass die Rumänen hier eine Politik machen, die den Moldauern ihre nationale Identität raubt. Ich glaube, dass das auch von vielen in Rumänien nicht gewollt ist. Es gibt auch dort immer noch Verfechter eines Groß-Rumäniens, aber die EU hat immer sehr deutlich gemacht, dass Moldau eine eigene nationale Identität hat und dass die EU ein Interesse hat, diese zu wahren. Deshalb muss die EU in der Frage der Passausgabe gegensteuern, indem sie Visa-Erleichterungen für Moldauer schafft und sich nicht nur dieser Umweg über die rumänische Staatsbürgerschaft sozusagen als Eintrittskarte bietet.
Die rumänische Staatsführung erklärt: zwei Staaten, eine Nation. Was halten Sie davon?
Ich halte das für falsch. Präsident Traian Basescu und andere in Rumänien provozieren damit natürlich genau die Reaktionen in Moldau, wie die Ausweisung des Botschafters durch die kommunistische Regierung und Einreiseverbote für Rumänen. Es wird immer als Imperialismus der Rumänen gedeutet. Deshalb wäre es klug von der rumänischen Seite, verbal abzurüsten und deutlich zu machen, dass Moldau als eigenständiges Land gesehen wird, wie es ursprünglich von Rumänien und eigentlich von allen nach der Auflösung des sowjetischen Blocks akzeptiert war. Ich glaube, hier ist Konfliktpotential, das eher krisenverschärfend ist und den Menschen in der Moldau gar nicht hilft.
Die EU und Deutschland haben Moskau verurteilt, als es massenweise russische Pässe an die Einwohner der abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien verteilte. Nun macht Rumänen praktisch das gleiche.
Das Verhalten Rumäniens in diesem Wettlauf von Passausgaben – russische Pässe in Transnistrien, rumänische Pässe im westlichen Teil des Landes – das genau ist eine Situation, in der die EU gegensteuern muss. Ich kann nachvollziehen, warum die Russen so reagieren. Aber es ist genauso falsch, wie das, was die Rumänen machen. Man muss die Moldau als eigenständiges Land akzeptieren. Imperialismus von beiden Seiten ist die falsche Antwort. Es wäre auch gut, wenn die moldauische Regierung einen glaubwürdigen Weg für die Bürger finden würde. Die Annäherung an die EU geht über Demokratie und Reformen im eigenen Land. Wenn sich Staatspräsident Vladimir Voronin zum Parlamentspräsidenten hat wählen lassen, ohne sein Amt als Staatspräsident abzugeben, dann ist es eben genau die falsche Richtung. Wir können nach den demokratischen Spielregeln Exekutive und Legislative nicht so miteinander verbinden. Das schürt zu Recht wieder Misstrauen in der Bevölkerung. Deshalb ist die Frage von demokratischen Rechten, demokratischen Spielregeln und einer demokratischen Kultur ein ganz wichtiges Thema.
Das Gespräch führte Alexander Warkentin
Redaktion: Markian Ostaptschuk