Schlag ins Wasser?
12. Juli 2008Mit einer wahren Mammutkonferenz soll am Sonntag (13.7.2008) die "Union für den Mittelmeerraum" in Paris begründet werden. 27 EU-Staaten und 17 Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens kommen zusammen. Der türkische Regierungschef Erdogan und Algeriens Präsident Bouteflika sind dabei. Und selbst Israels Premier Olmert und Palästinenser-Präsident Abbas wollen erscheinen. Ein großer Triumph für Frankreichs Staatschef und zeitweiligen EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy. Gerade mal eine Absage muss er verkraften: Libyens Staatschef Gaddafi bleibt in Tripolis. Er hält das ganze für einen "imperialistischen Plan".
Merkel stutzt Sarkos Pläne
Dabei ist von der ursprünglichen Idee Sarkozys (bzw. seines umstrittenen Redenschreibers Henri Guaino) nicht mehr viel übrig. Der umtriebige Franzose hatte bereits im Präsidentschafts-Wahlkampf 2007 die Werbetrommel für einen Pakt zwischen europäischen und südlichen Mittelmeer-Anrainern gerührt. Ziemlich exklusiv wollte er seinen "Club Med" haben, wie Spötter das Projekt tauften. Allein EU-Staaten, die ans Mittelmeer grenzen, sollten mitmachen dürfen - unter Leitung Frankreichs versteht sich.
Doch die deutsche Bundeskanzlerin kritisierte das Vorhaben mehrfach heftig. Keinesfalls dürften Parallelstrukturen zur EU entstehen, so der Haupteinwand Angela Merkels. Im März 2008 kamen die beiden unter vier Augen doch noch überein: Alle 27 EU-Staaten werden jetzt mit von der Partie sein. Auf dem EU-Gipfel am 13. März gaben Europas Staatschefs schließlich grünes Licht für das Projekt mit dem offiziellen Titel: "Barcelona-Prozess: Union für das Mittelmeer".
Auf zu neuen Ufern?
Der sperrige Name soll die Kontinuität zur 1995 in Barcelona ausgehandelten Annäherung zwischen EU und Mittelmeer-Anrainern verdeutlichen. Nicht unbedingt ein gutes Omen: Bei Kritikern gilt das Projekt als glatter Reinfall. Ziele wie die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums und eine politische Stabilisierung der Region waren wohl zu anspruchsvoll. Treffen auf hoher Ebene blieben schlecht besucht. EU-Gelder wurden nicht abgerufen, weil die Partnerländer zu wenig förderwürdige Projekte vorwiesen.
Solarzellen anstatt 'good governance'
Die Wiederauflage setzt auf Wunsch Frankreichs jetzt explizit auf Koordination anstatt politischer Integration, auf gemeinsame Projekte anstatt Kurse in 'good governance': Konkret sind bereits Vorhaben zur Förderung von Solarenergie, des Schiffsverkehrs, von Jugendbildung und Unternehmensgründungen.
Leiten soll die Union eine Ko-Präsidentschaft, mit jeweils einem Vertreter aus der EU und einem aus den südlichen Partnerländern. Alle zwei Jahre sollen Gipfel der Staats- und Regierungschefs die Marschrichtung vorgeben; die Außenminister kommen jährlich zusammen. Um den Sitz des 20-köpfigen Sekretariates streiten sich noch Tunesien, Marokko, Malta und Spanien. Zusätzliches Geld will die EU jedoch nicht locker machen: Bis 2013 stehen 16 Milliarden Euro zu Verfügung - genau die Summe, die für den Barcelona-Prozess eingeplant war.
Ein Schlag ins Wasser?
Dass beim neuen Vorhaben nicht mehr Geld fließt, ist nur ein Kritikpunkt der zahlreichen Zweifler. Das Ziel einer Demokratisierung der Partnerländer dürfe nicht ausgeklammert werden, monieren einige. Politikwissenschaftler prophezeien eine Verdopplung bürokratischer Strukturen durch die Anknüpfung an alte Institutionen. Außerdem seien die Mittelmeerstaaten von der Türkei über Israel bis Marokko zu unterschiedlich, um ihnen mit einem einheitlichen Rahmen zu begegnen.
Jan Techau von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) meint, die schlechte Zusammenarbeit im Barcelona-Prozess habe zum großen Teil an der Reformunwilligkeit der EU-Partnerländer gelegen. Als Beispiel für Entwicklungshemmung nennt er die mangelnde Bereitschaft der Mittelmeer-Staaten zum Freihandel untereinander. Diese schlössen lieber bilaterale Verträge mit der EU, anstatt innerhalb einer gemeinsamen Freihandelszone auf Zolleinnahmen zu verzichten. Dennoch: Im Gegensatz zum Barcelona-Prozess konzentriere sich der neue Ansatz auf praktische Projekte, die zu schaffen seien, anstatt auf große Demokratisierungs-Vorhaben. "Schmaler, kleiner, praktischer", sagt Techau, "das ist das Gute an der Sache."