Mitteleuropa mit neuem Schwung
16. April 2009Das "Mitteleuropäische Kammerorchester" spielt Werke, die nur wenige Orchester spielen. Es sind Werke aus den vergangenen fünf bis 30 Jahren. "Die Strategie ist, einen Namen zu nehmen, der in Europa unbekannt, ungespielt oder aus irgendeinem Grund uninteressant ist. Und dazu nehmen wir andere Stücke aus der jeweiligen Region, die mit dem Komponisten zu tun haben ", erklärt Ajtony Csaba, der das Orchester vor vier Jahren gegründet hat.
Für das Haydn-Jahr 2009 haben sich Csaba und das Orchester beispielsweise etwas Besonderes ausgedacht: Sie spielen zwar eine Haydn-Sinfonie, ergänzen das Programm aber mit Kompositionen, die Haydn zitieren, kommentieren oder karikieren - wie das Stück "Grave" des Polen Witold Lutoslawski.
Musik ohne Grenzen
Mit dem "Mitteleuropäischen Kammerorchester" möchte Csaba, der aus Rumänien stammt und in Ungarn aufgewachsen ist, die Zeiten des Kaiserreichs wieder aufleben lassen. Damals konnte man ohne Grenzkontrollen mit dem Zug von Lemberg bis Triest fahren. Csaba spricht heute von einem fließenden Konglomerat aus verschiedenen musikalischen Entitäten. Die österreichische Hauptstadt Wien sei dabei das Zentrum, in dem neue Ideen entstünden. "Die multikulturellen Einflüsse, die es hier gibt, müssen einen Körper bekommen. Musikalischerweise ist das das Mitteleuropäische Kammerorchester."
Die Musiker spielen überall in Mitteleuropa. Ihre Auftritt sind anders als bei einem klassischen Kammerensemble: Sie arbeiten beispielsweise mit Videobeamern und Tanzeinlagen. Für Csaba, der in Wien und Budapest Gesang, Komposition und Dirigieren studiert hat, gehört dieses Experimentelle dazu, denn sein künstlerisches Credo ist: Musik als lebendige Klangkunst. "Wir haben in Bratislava ein Publikum in einer Kirche gehabt, wo auch alte Damen von einer katholischen Gemeinde dabei waren. Es war höchst überraschend: Wir haben Uraufführungen gespielt und haben damit gerechnet, dass einige Leute aufstehen und nach dem ersten Stück raus gehen. Und am Ende es hat ihnen gefallen, und sie waren ganz offen für alle Stücke, weil sie nicht gewusst haben, was das ist", erzählt er.
Von Ungarn über Polen bis Österreich
Auch die Zusammensetzung des Orchesters ist etwas Besonderes: Der Cellist Piotr Skweres kommt aus Warschau, der Geiger Gabor Selmeczi aus Siebenbürgen und die Bratschistin Judith Reiter aus Oberösterreich. Gemeinsam ist allen die Lust, zu experimentieren und Herausforderungen zu meistern. Für Ajtony Csaba ist auch die große Emotionalität der Musiker in Ungarn und Siebenbürgen ein verbindendes Element. "Dort lebt die Volkskunst noch viel intensiver, das kann man auch von der neuen Musik nicht weglassen, weil es ohne das so gut wie keine Musik gibt", sagt er. Auch Bratschistin Judith Reiter bestätigt das. Ihr Repertoire an österreichischem Liedgut reicht für die knapp zweieinhalbstündige Autofahrt von Wien nach Budapest.
Die Musiker zeigen, dass ihre unterschiedliche musikalische Herkunft eine Stärke ist. Und trotz kleinem Budget reisen sie nach Bratislava, Budapest, Prag oder Bukarest, um die längst vergessenen Gemeinsamkeiten ihrer Regionen hörbar zu machen.
Das "Mitteleuropäische Kammerorchester" spielt vom 6. bis 14. Mai in Wien, Bratislava, Budapest und Bukarest.
Autor: Alexander Musik
Redaktion: Julia Kuckelkorn