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Mit Sekt Geld in die Staatskasse spülen

Marina Strauß31. Dezember 2015

Kaiser Wilhelm II. wollte mit der Schaumweinsteuer seine Flottenträume bezahlen. Die Flotte gibt es längst nicht mehr, die Steuer schon. Auch an diesem Silvester zahlen wir rund einen Euro pro Flasche extra.

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Zwei Frauen und ein Mann stoßen mit Sekt an
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO

Formel-1-Sieger begießen mit ihm ihre Erfolge. Die einen trinken ihn schon zum Frühstück oder stoßen mit ihm auf fröhliche Ereignisse an. Andere ärgern sich am nächsten Morgen mit Kopfweh, dass sie nicht die Finger von ihm lassen konnten: der Schaumwein - und seine Unterformen Sekt, Champagner oder Crémant.

Auch wenn der Konsum im vergangenen Jahr in Deutschland leicht zurückgegangen ist, stehen die Bundesbürger immer noch ganz oben auf dem Treppchen, was den Genuss sprudelnder Alkoholika angeht - noch vor Franzosen, Russen und US-Amerikanern. Das fand eine Studie der Internationalen Organisation für Rebe und Wein aus dem Jahr 2013 heraus. Insgesamt haben die Deutschen 2014 rund 423 Millionen 0,75-Liter-Flaschen Schaumwein getrunken, so das Statistische Bundesamt.

An Silvester ist der Andrang an den deutschen Sektregalen besonders groß. Wer das neue Jahr mit einer Flasche des Getränks einläutet, muss pro 0,75 Liter 1,02 Euro Schaumweinsteuer abdrücken - zusätzlich zu den 19 Prozent Mehrwertsteuer. Zu verdanken haben die Sekt- und Champagnerliebhaber das Kaiser Wilhelm II. Denn der führte sie 1902 ein, um mit dem Geld die Kriegsflotte und den Kaiser-Wilhelm-Kanal, den heutigen Nord-Ostsee-Kanal, zu finanzieren.

Heute wird nicht mehr nur für Kanonen getrunken

Wilhem II. strebte nach Weltgeltgung und Kolonien. Dazu gehörte natürlich auch eine schlagkräftige Marine nach Vorbild der Briten. Sekt galt damals noch als Luxusgut. Ein Großteil der Bevölkerung sah also einer Steuer, die hauptsächliche die Reichen betraf, nicht allzu kritisch. Nach dem Ersten Weltkrieg versenkten die Deutschen ihre Flotte selbst. An der Schaumweinsteuer rüttelte jedoch keiner.

Während der Weltwirtschaftskrise 1933 setzte die deutsche Regierung die Sektsteuer für einige Jahre aus - ein Versuch, die Konjunktur anzuheizen. Ab 1939 floss der Schaumweintrinker-Obolus in die U-Boot-Entwicklung. Die Schaumweinsteuer war also zweckgebunden - wenn auch für rein kriegerische Projekte.

Ein Bild des Kaiser-Wilhelm-Kanals, auf dem ein Schiff und eine Brücke zu sehen sind
Der Kaiser-Wilhem-Kanal wurde zwischen 1887 und 1895 erbaut - auch mithilfe der SchaumweinsteuerBild: picture-alliance/akg-images

Doch nach Ende des Zweiten Weltkrieges war nicht die Rede davon, sie wieder abzuschaffen. 2014 flossen rund 421 Millionen Euro in die Kassen des Bundes. Für einen bestimmten Zweck - wie zu Zeiten Kaiser Wilhelms II - wird diese Alkoholabgabe allerdings nicht mehr hergenommen. Der Staat kann sie also einsetzen, für was er will.

Kleinvieh macht auch Mist

Die Schaumweinsteuer macht nicht einmal 0,1 Prozent aller deutschen Steuereinnahmen aus. Damit zählt sie zu den von Experten so bezeichneten Bagatellsteuern - Abgaben, die weniger als 0,2 Prozent zu den gesamten Staatseinnahmen beitragen.

"Davon gibt es in Deutschland noch jede Menge", sagt Martin Frömel vom Bund der Steuerzahler. Der Fachanwalt für Steuerrecht kritisiert, diese Staatseinnahmen seien "sehr, sehr teuer" im Verhältnis zu ihrem Ertrag. "Im Vergleich zu den Erhebungskosten bringen Bagatellsteuern keine bedeutenden Einnahmen", so Frömel.

Nicht nur beim Sekt kassiert der Finanzminister

Schaumwein ist nicht das einzige alkoholische Getränk, auf das der Bund Steuern erhebt. Auch wer Branntweine wie Wodka oder Grappa, Bier, Alkopops - also alkoholhaltige Süßgetränke - und sogenannte Zwischenerzeugnisse wie Sherry oder Portwein konsumiert, legt zusätzlich zum Preis des Getränks noch was für den Staat obendrauf. Allein Wein ist von dieser Verbrauchsteuer ausgenommen.

"Das Problem ist, dass die Steuern nach Vorgaben der EU zu erheben sind", erklärt Martin Frömel. Daher könne Deutschland die Abgaben nicht im nationalen Alleingang abschaffen, sondern die EU müsste erst die entsprechende Richtlinie ändern. "Und darauf sollte der deutsche Gesetzgeber auch hinsteuern", findet der Steuerexperte.

Der Bund sowie Länder und Gemeinden würden aber von den Einnahmen profitieren und seien aus diesem Grund natürlich wenig bereit, diese zu hinterfragen oder abzuschaffen, so Frömel. Wer an Silvester in Zukunft also mehr Qualität für sein Geld will und sich traut, mit alten Traditionen zu brechen, kann den Sekt durch ein Glas Merlot, Riesling oder Gewürztraminer ersetzen - und sich damit die Schaumweinsteuer sparen.