Mit Rechtsruck gegen den Front National
28. November 2016Frankreichs Republikaner rücken nach rechts: Mit François Fillon haben die Wähler einen Präsidentschaftskandidaten gekürt, der als stramm konservativ gilt. Der Ex-Premier hat bereits angekündigt, die Familie "wieder zum Kern der Politik machen" zu wollen. Fillon hält nichts davon, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren. Er will eine Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme, Ausländern soll der Zugang zum Sozialsystem erschwert werden, muslimische Gemeinden und Moscheen will er staatlich kontrollieren lassen. Zudem plädiert Fillon für eine Renationalisierung der Lehrpläne an Schulen.
Fillon punktet im Milieu des FN
Für den Front National könnte das Programm von Fillon zum Problem werden. Der 62-Jährige appelliert an ähnliche Emotionen wie die Rechtsextremen: Sorge vor Überfremdung und Identitätsverlust, Angst vor Terrorismus und Kriminalität. "Lange Zeit war der Front National die einzige politische Kraft, die diese Ängste der Franzosen aufgegriffen hat", sagt Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischem Institut in Ludwigsburg. "Und jetzt ist da ein Politiker, der diese Ängste mit einer anderen Sprache aufgreift und ihnen ein politisches Angebot macht."
Besonders im ländlichen katholischen Frankreich, wo Tradition viel zählt, trifft der bekennende Katholik Fillon mit seinen familien- und gesellschaftspolitischen Vorschlägen einen Nerv. Unterstützt wird er von traditionskatholischen Gruppen, die seit Jahren Massen für Demonstrationen gegen die Homoehe mobilisieren. Im parteiinternen Wahlkampf reiste Fillon vor allem in die Dörfer und Kleinstädte Frankreichs - ausgerechnet in Regionen, die Marine Le Pen als das "vergessene Frankreich" bezeichnet und als deren Interessenvertreterin sie sich sieht.
"Fillon hat in einem Milieu punkten können, um das auch Le Pen wirbt", so der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Andreas Jung (CDU), im rbb-Inforadio. "Er steht nicht für eine Pariser Abgehobenheit, sondern für eine Verwurzelung in der Provinz. Fillon bekennt sich zu traditionellen Werten wie der Familie. Deshalb kann man ihm nicht nur zutrauen, Le Pen zu besiegen, sondern auch schon im ersten Wahlgang vorne zu liegen."
"Gefährlichster Kandidat für den FN"
Beim Front National ist man dementsprechend alles andere als begeistert von der Kandidatur des Konservativen. "Fillon stellt uns vor ein Strategieproblem", räumte Marion Maréchal Le Pen, die Nichte von Parteichefin Marine Le Pen jüngst vor Journalisten ein. "Er ist der gefährlichste Kandidat für den Front National." Demoskopen geben der Frontistin Recht. Jüngste Umfragen sehen Fillon derzeit als Favoriten für die Präsidentenwahl im Mai.
Ein Selbstläufer wird die Wahl für Fillon jedoch nicht. Der FN stellt den Kandidaten der Konservativen als Mitglied des Establishments dar und versucht so, die Politikverdrossenen für sich zu gewinnen. Besonders seine wirtschaftsliberalen Pläne stoßen auf Widerstand. Fillon will die 35-Stunden-Woche abschaffen und das Rentenalter auf 65 Jahre anheben. Zudem will er 500.000 Stellen im Öffentlichen Dienst streichen und das Arbeitsrecht reformieren. Fillon gilt als Bewunderer der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher. "Fragen der liberalen Wirtschaftspolitik sind in Frankreich immer stark umstritten", sagt Uterwedde. "Gegner von Fillon haben sich da schon entsprechend in Stellung gebracht. Sie prangern das an, was man in Frankreich als 'Ultraliberalismus' bezeichnet." Das sei eines der schlimmsten Schimpfwörter in der französischen Politik.
Angebot an die Linke
Fillons plant, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zu erhöhen. Das würde vor allem die Einkommensschwachen treffen. Genau diese Klientel umwirbt jedoch der FN mit einem Programm, das wirtschaftlich eher links gilt. Die Rechtsextremen fahren einen klaren Anti-Globalisierungskurs, wollen die französische Wirtschaft gegen das Ausland abschotten und aus der Europäischen Union austreten. Schon versucht die Partei, Fillon als Symbol eines gesetzlosen ultra-liberalen Kapitalismus darzustellen. "François Fillon will noch über das hinausgehen, was die Europäische Union an Austerität und Liberalismus fordert", twittert David Rachline, Wahlkampfchef von Marine Le Pen.
Laut aktuellen Umfragen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Fillon im Mai gegen Marine Le Pen in die Stichwahl muss. Ein Risiko für den Kandidat der Republikaner: Sein wirtschaftsliberaler Kurs könnte linke Wähler davon abhalten, für den Konservativen zu stimmen, um Le Pen zu verhindern. "François Fillon wird jetzt Angebote machen müssen, auch an die Wähler, die eher zentrumsnah sind, die etwas gemäßigtere Mitte", sagt Frankreich-Experte Uterwedde. "Und er wird, spätestens ab dem zweiten Wahlgang, Angebote an Wähler der Linken machen müssen. Und das, ohne sich zu verbiegen."