Fillon trumphiert bei den Vorwahlen
28. November 2016Er war bislang der ewige Zweite. Nun steht er ganz vorne. François Fillon lässt den Blick über die jubelnde Menge vor ihm schweifen. "Fillon, Präsident", skandieren sie, einige intonieren die Marseillaise. Es ist kurz vor neun Uhr abends und heiß im Wahlquartier der Fillon-Anhänger. Fillon schwitzt und sieht ernst in die Gesichter seiner Sympatisanten. "Der Sieg gehört mir - und es ist ein Sieg der Überzeugung!" Tosender Beifall unterbricht den Spitzenmann, die Marseillaise schwillt in vollen Tönen an.
Alain Juppé räumt krachende Niederlage ein
Bereits am frühen Abend zeichnete sich ab, dass die höhere Wahlbeteiligung dem Konservativen aus Frankreichs tiefem Westen zum Vorteil gereicht hat. Bis zuletzt hatte das Lager des moderateren Alain Juppé darauf gehofft, mit einer mobilisierten Linken das Ruder noch einmal herumzureissen. Am Ende dieses Wahlabends müssen seine Anhänger am Boulevard Raspail die haushohe Niederlage einräumen. Später am Abend heisst es: 33 Prozent für den 71 jährigen Juppé, weggefegt von überwältigenden 67 Prozent für seinen Herausforderer Fillon. "Es ist der totale Bruch mit allem, was wir vorher hatten", platzt es aus Corentin Depelletier heraus. Der junge Mann zieht zum ersten Mal für einen Kandidaten in den Wahlkampf, jetzt will er seinen Favoriten Fillon erst recht unterstützen.
Spielraum für Reformen
Bernard Debré, Abgeordneter der Nationalversammlung ist nicht überrascht. Gegenüber der DW betont der ehemalige Minister der Regierung Balladur, Alain Juppé selbst habe dazu beigetragen, dass der Graben zu seinen Wählern tiefer wurde. "Nach den Ergebnissen des ersten Wahlgangs hat Juppé verpasst, aufzugeben". Seine Sturheit habe die Partei unnötig gespalten. "Das goutieren nicht viele."
So sehr das erstmalige Experiment der Vorwahlen Juppé politisch runiert hat, so sehr profitiert François Fillon. Seine neu gewonnene politische Legitimität werde ihm Spielraum geben, keine faulen Kompromisse einzugehen, so der Politprofi Debré.
Europa will wissen: Wer ist dieser Mann?
Die Entourage um Fillon weiß um die hohen Erwartungen. "Wir haben nun die Aufgabe, ein ganzes Land hinter uns zu versammeln", so der Sieger in seiner kurzen Ansprache. Als künftiger Frontmann der Konservativen im Rennen um das Präsidentenamt katapultiert sich Fillon auch auf europäische Ebene. Die Nachbarn wollen wissen: Mit wem hat man es da zu tun? Welchen Kurs wird der Ex-Premier jenseits der französischen Innenpolitik einschlagen?
Europa ist nervös. Ungarn und Polen beschreiten bereits den autoritären Pfad. In den Niederlanden bereitet der rechtsextreme Stimmenfänger Geert Wilders den populären Nährboden vor den dort anstehenden Wahlen.
Und die nicht minder extreme Marine Le Pen von "Front National" (FN) wird nicht müde, sich eindringlich als die Retterin der Abgehängten zu stilisieren und gegen einen, wie sie es ausdrückt, auswuchernden Islam zu kämpfen.
Demut, nicht Hochmut
Der ehemalige Vorsitzende der Nationalversammlung und Fillon-Unterstützer Bernard Accoyer schüttelt den Kopf. Nein, einen "Frexit" werde es mit Fillon nicht geben. François Fillon, so Accoyer weiter, stehe ganz in der Tradition Charles de Gaulles, erklärt er gegenüber der DW. "Er ist überzeugter Europäer." Er glaube auch an die Notwendigkeit des deutsch-französischen Motors. Tatsächlich räumen dies sogar die Linken ein: "Wenigstens will Fillon nicht aus der EU aussteigen", so ein enttäuschter Juppé-Anhänger. Und Russland? "Fillon war noch nie ein absoluter Transatlantiker" so der Politikexperte Martial Faucault. Auch hier steht der neue Mann in der ersten Reihe dem gaullistischen Flügel der Konservativen nahe. Unter Charles de Gaulle, sogar unter Jacques Chirac habe Frankreich immer einen unabhängigen Blick auf Russland gehabt.
Bernard Accoyard spricht leise in sein Mobiltelefon. "Ruf mich zurück, sobald wir wissen, wer heute die neuen Wähler waren." Er blickt auf, zufrieden: "Man sagt, 10 Prozent der Wähler haben wir dem FN entrissen." Fillons Leute, sie sind bereits mitten in der Wahlanalyse. "Heute ist nur der Beginn unserer Arbeit" verkündet ein ernsthafter Fillon noch am späten Wahlabend. Dann, die Hände ausgebreitet, legt er die rechte Hand auf die Brust und verbeugt sich knapp. Es soll Demut beweisen, nicht Hochmut.