"Mister Nobody" - so nannten ihn seine parteiinternen Gegner, allen voran die Anhänger Nicolas Sarkozys. Die bewiesen damit, dass sie gewillt waren, den arroganten Ton ihres Anführers fortzusetzen. Einen "pauvre type" ("armen Typ") hatte Sarkozy Fillon genannt. Und während seiner Zeit als Staatspräsident hatte er sich darin gefallen, seinen Premierminister als "meinen Mitarbeiter" zu bezeichnen. Das Ergebnis der parteiinternen Vorwahlen hat nun gezeigt, dass viele Anhänger eines ganz entschieden nicht mehr wollen: die Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit, die Sarkozy immer wieder an den Tag legte. Ihn verbannten sie auf den letzten Platz der drei Spitzenkandidaten, mit gerade einmal 20,6 Prozent.
Zugleich zeigten sie, dass sie gerne einen ganz anderen politischen Typ an der Spitze ihres Staates sähen: den zurückhaltenden, höflichen und zugleich kämpferischen Katholiken François Fillon. Der hatte in den zurückliegenden Monaten vor allem den Kampf gegen die öffentliche Erwartung aufgenommen - vor allem gegen jene, die sich in den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute artikulierten. Die räumten ihm lange geringste, eigentlich überhaupt keine Chancen ein. Noch am Freitag vor der Wahl sahen sie ihn bei allenfalls 30 Prozent - am Ende holte Fillon 44 Prozent.
Konservativ, aber nicht reaktionär
Als "Anti-Trump" bezeichnet ihn heute das Polit-Magazin "L´Express". Genau darin dürfte Fillons Erfolg liegen: Er ist populär, aber nicht populistisch. Er ist konservativ, aber nicht reaktionär. So sprach er exakt das Lebensgefühl jenes Milieus an, dem er selbst entstammt: das der konservativen Katholiken. Er wusste nur zu gut, dass mit diesem Milieu zu rechnen ist. Dieses hatte sich in den vergangenen Monaten und Jahren zwar nur selten spektakulär in Szene gesetzt. Aber es existiert trotzdem, und zwar in großer Zahl.
Und mit der Bewegung "Le Manif pour tous", "Die Demo für alle" hat es seit einiger Zeit auch wieder eine Plattform. Die richtet sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Diese Anliegen hat Fillon ausdrücklich unterstützt.
Auch sonst zeigte sich Fillon entschieden konservativ. Vor wenigen Wochen veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Vaincre le totalitarisme islamique" ("Den islamischen Totalitarismus besiegen"). Zugleich aber zeigte er sich immer wieder differenziert, verzichtet etwa darauf - anders als Sarkozy -, sich allzu scharf über Symbole des islamischen Glaubens zu äußern. Auch konnte er muslimischen Ernährungsvorschriften gehorchenden Alternativ-Menüs in öffentlichen Einrichtungen nichts Anstößiges finden. Seine Zurückhaltung unterscheidet sich von dem rüden Ton eines Donald Trump und den scharfen Äußerungen einer Marine Le Pen - gründlich und vor allem wahrnehmbar.
Gefahr für die Sozialisten und den Front National gleichermaßen
So könnte Fillon für Marine Le Pen und den Front National (FN) in den Präsidentschaftswahlen zu einem gefährlichen Konkurrenten werden. Denn er steht für die vielen konservativen Franzosen, die sich, aller Vorbehalte gegenüber manchen gesellschaftlichen Entwicklungen zum Trotz - allen voran die Einwanderungs- und Integrationsdebatte - nicht für den harten, schon rhetorisch abschreckenden Kurs des FN entscheiden können.
Aber auch für den amtierenden Präsidenten François Hollande, sollte er denn im kommenden Frühjahr noch einmal antreten, dürfte Fillon zu einer harten Herausforderung werden. Als er antrat, erklärte Hollande, er wolle sich vor allem an seinem Erfolg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit messen lassen. Die liegt mit derzeit 10,5 Prozent einen Punkt höher als zu seinem Amtsantritt. Fillon vertritt einen dezidiert wirtschaftsliberalen Kurs. Auch damit dürfte er viele Franzosen angesprochen haben. Vielleicht, so die Hoffnung, schafft er es ja, das darbende Land ökonomisch wieder aufzurichten?
So dürften auch die wüsten Äußerungen eines Jean-Christophe Cambadélis, des Vorsitzenden der Sozialistischen Partei, den Glanz von Fillons Triumph kaum mindern. Fillon sei "ultrarechts" und "anti-sozial", ließ Cambadélis verlauten. Viele Franzosen dürfte das nicht beeindrucken. Gemessen am Wahlergebnis sind sie offenbar froh, dass die Sache der Konservativen nun wieder eine gemäßigte, nicht-populistische Stimme gefunden hat.