Mit harter Hand in den Untergang
14. März 2014Jetzt gehen auch ehemals ziemlich beste Freunde auf Distanz: Selbst der Deutsche Heinz Dieterich, einst linker Chefideologe von Venezuelas verstorbenem Präsidenten Hugo Chávez, sieht die Regierung in Caracas am Ende: Höchstens ein paar Wochen noch könne sich Staatschef Nicolás Maduro im Amt halten - zu groß sei die Unfähigkeit seines Regimes, die Probleme des Landes zu lösen.
Nur die Opferzahlen bewegen sich
Vorläufig aber hält sich Maduro einigermaßen im Sattel. Das Einzige, das sich in Venezuela nach über einem Monat voller Proteste und deren Niederschlagung bewegt, sind die Zahlen der Toten, Verletzten und Verhafteten, die stetig ansteigen. Inhaltlich geht es keinen Schritt weiter: Der Präsident zelebriert seine altlinke Kriegsrhetorik, während die oppositionellen Studenten auf den Straßen der großen Städte jeden Tag aufs Neue ihr Leben riskieren.
Denn auch dort gibt es derzeit keine Chance auf Dialog: „Das sind doch gar keine Demonstranten“, schimpft die 24 Jahre alte Fußballtrainerin Jacksy Silva über die Studenten. Und die überzeugte Anhängerin der Regierung legt nach: „Wenn sie Demonstranten wären, hätten sie Parolen und Spruchbänder und würden allein mit ihren Stimmen auf sich aufmerksam machen. Und sie würden nicht randalierend und prügelnd durch die Straßen ziehen. Das sind keine Studenten, das ist ein Vandalenpack, das unsere Revolution kaputtmachen will.“
Auf der anderen Seite sprechen immer mehr Studenten der Regierung Maduro die Legitimität ab und wollen die Proteste fortsetzen - bis zum Ende: „Wir kämpfen hier.“, sagt die Studentin Vanessa Eissig, 22. „Weil wir hier arbeiten möchten. Weil wir hier unsere Kinder bekommen möchten. In Venezuela leben viele tüchtige Menschen. Menschen wie wir. Wir kämpfen für das Land, weil wir an es glauben.“
Was kommt nach dem Konflikt?
Die meisten Vermittlungsangebote hat Maduro als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ zurückgewiesen. Insbesondere die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gilt ihm als Büttel der USA. Dafür werden jetzt die Außenminister des alles andere als unparteiischen südamerikanischen Staatenbundes UNASUR einen Dialog anstoßen - ein enormer außenpolitischer Erfolg Maduros. Gleichzeitig zeigt er, wie der Konflikt in Venezuela den Kontinent spaltet in Länder, die sich solidarisch mit dem Regime in Caracas erklären, und solche, die ein Ende des Konflikts und der staatlichen Repression fordern.
Doch niemand scheint derzeit eine griffige Idee zu haben, was danach kommen soll. Auch der Opposition traut kaum jemand zu, das tief gespaltene Land zu einen und wiederaufzubauen. Trotzdem sind Veränderungen unvermeidlich, glaubt Diego Moya Ocampos, Lateinamerika-Analyst beim US-amerikanischen Wirtschaftsinformationsdienst IHS: „Da braut sich ein perfekter Sturm zusammen: Seit dem Tod von Präsident Chávez vor einem Jahr herrscht in Venezuela ein Machtvakuum. Proteste gegen und für die Regierung weiten sich aus. Die Wirtschaft schrumpft, die Inflation ist auf Rekordniveau, Lebensmittel und Medikamente fehlen. Das ist eine perfekte Mischung für einen tiefgreifenden Wandel im Land.“
Die Lösung muss von innen kommen
Aber selbst die USA, die das Maduro-Regime mittlerweile offen und mit harschen Worten kritisieren, scheinen keinen Plan für eine Zeit nach Maduro zu haben, monierte kürzlich das MacMillan-Center für internationale Politik an der Yale-Universität. „Die USA haben eine lange Tradition darin, aufständische Bewegungen zu unterstützen, die, einmal an die Macht gekommen, desaströse Folgen für das jeweilige Land verursacht haben“, schreibt das Institut mit Blick auf Venezuela.
So muss eine Lösung für das Land wohl von innen kommen. Auch wenn die Regierung Maduro noch immer versucht, sich mit harter Hand gegen die Proteste durchzusetzen, bröckelt es hinter den Kulissen. Selbst hartgesottene Chavisten in hohen Ämtern sind inzwischen gegen die staatliche Gewalt und Unterdrückung der Proteste. Und auch bei denen, die eigentlich für die Politik der Regierung sind, wächst die Unzufriedenheit mit dem Präsidenten und seiner Politik. Wenn die Proteste von den städtischen, gutbürgerlichen Vierteln auf die Chavisten-Hochburgen in den Elendsquartieren übergreifen, droht weitere Instabilität.
Das Militär im Wartestand
„Je schwächer die Regierung wird, umso stärker wird der Einfluss der Armee im Hintergrund“, sagt IHS-Analyst Moya Ocampos. „Die politischen und wirtschaftlichen Probleme werden weitergehen, und das wird zu Spaltungen in der Regierungspartei PSUV und im Militär führen. Und das wiederum könnte eine direkte oder indirekte Intervention des Militärs provozieren.“ Und Nicolás Maduro gilt nicht als Mann der Streitkräfte. Die sympathisieren eher mit dem Parlamentspräsidenten und internen Maduro-Gegenspieler Diosdado Cabello.
Viele Freunde hat Präsident Maduro nicht mehr. Viel Zeit offensichtlich auch nicht.