Kauf von Steuersünder-CDs
19. Juli 20123,5 Millionen Euro soll eine CD mit Daten von rund 1000 möglichen deutschen Steuerhinterziehern gekostet haben. Geld, das der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, für gut angelegt hält: "Der Preis von 3,5 Millionen Euro ist sehr gut investiert. Ich erwarte auch viele Selbstanzeigen von Leuten, die befürchten, sie könnten auf der CD vermerkt sein."
Die Erfahrungen der Vergangenheit gibt dieser Vermutung Recht: Im Jahr 2010 erwarben verschiedene Bundesländer illegal erstellte CDs mit Kundendaten aus der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein. Daraufhin schnellte die Zahl der Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern auf rund 25.000 hoch – in den Jahren davor waren es nur 2000 Personen, die sich von selbst bei den Steuerbehörden meldeten. Nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) – die DSTG ist die Interessenvertretung für Personal in der Finanzverwaltung – kamen so rund 2 Milliarden Euro Mehreinnahmen in die Staatskasse. 2011 kassierte allein das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) aufgrund der Selbstanzeigen 300 Millionen Euro an nachträglich gezahlten Steuern.
Umstrittene RechtmäßigkeitHanno Kube, Professor für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Mainz hält den Ankauf dagegen für "rechtsstaatlich kaum noch vertretbar". Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt er: "Sehr kurzfristig ist das vermeintlich gut investiert, längerfristig zahlt man den Preis der Rechtsstaatlichkeit. Hier sehe ich ganz erhebliche Zweifel, wenn sich der Staat stetig und strukturell in solche Vorgänge verstrickt, die letztendlich auf einen kriminellen Hintergrund zurückgehen. Der deutsche Rechtsstaat sollte sich an Regeln halten, die er selbst setzt, und von derartigen Praktiken Abstand nehmen."
Eine Einschätzung, die Thomas Eigenthaler von der DSTG nicht teilt. Er habe "weder moralische noch rechtliche Bedenken", sagte Eigenthaler der DW. Offensichtlich sieht man das im NRW-Finanzministerium genauso – und verweist darauf, dass auch im geplanten Steuerabkommen zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz der Ankauf illegaler CDs nicht ausgeschlossen wird.
Steuerabkommen fehlt noch die Zustimmung
Die Datenankäufe von 2010 hatten hohe Wellen geschlagen: Nicht nur innerhalb Deutschlands diskutierten Bürger, Politiker und Juristen über die Rechtmäßigkeit eines solchen Schrittes. Auch die Regierungen der betroffenen Länder waren erbost über diese Art von Steuerfahndung.
Um die Wogen zu glätten, handelte die Bundesregierung mit der schweizerischen Regierung ein Abkommen aus, wie in Zukunft mit den deutschen Steuersündern und ihrem auf Schweizer Konten verstecktem Geld umgegangen werden soll. Das Abkommen sieht eine nachträgliche Besteuerung von 21 bis 41 Prozent vor – im Gegenzug werden die Steuerhinterzieher strafrechtlich nicht weiter verfolgt. Künftige Geldeinnahmen sollen in der Schweiz in Zukunft ebenso wie in Deutschland mit 26,4 Prozent besteuert werden – damit entfiele der Anreiz, das Geld außer Landes zu schaffen.
Eigentlich sollte dieses Abkommen Anfang 2013 in Kraft treten. Doch die SPD-geführten Länder verweigern zurzeit im Bundesrat ihre Zustimmung dazu. Sie kritisieren das Abkommen als zu lasch. Der SPD-Finanzminister von NRW bescheinigte dem Abkommen "scheunentorartige Schlupflöcher für Steuerhinterzieher". Er setzt deshalb weiter auf den Ankauf von Daten, und könnte dies wohl auch nach dem Abschluss weiter tun. Denn der entsprechende Passus im Abkommen ist denkbar offen formuliert.
Trotz Abkommen weiter RechtsunsicherheitIm Dokument heißt es: "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erklärt (…), dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden.
"Das lässt viel Platz für Interpretationen, das ist eine bemerkenswerte Formulierung. Die Grenzen sind hier sicherlich fließend", sagt Steuerrechtler Kube. Seiner Einschätzung nach schafft der Staat aber "eine Anstiftungssituation". Sprich: der Schweizer Bankangestellte, der weiß, dass deutsche Behörden seine illegal kopierten Daten von deutschen Anlegern für viel Geld kaufen, wird so zu der Straftat angestiftet. Es sei fraglich, ob man dies nicht als "aktives Bemühen" der deutschen Seite zu werten habe.
Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch dieser Rechtsstreit irgendwann vor dem obersten deutschen Gericht landen wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte zwar im November 2010 die Nutzung der Daten-CDs zur Strafverfolgung erlaubt, sich zu der Rechtmäßigkeit des Ankaufs jedoch nicht geäußert.