Mit G7 für nachhaltiges Produzieren
23. März 2015Die deutsche Medienöffentlichkeit stand seit Tagen Kopf, weil der Antrittsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin bevorstand. Doch wer glaubte, dass Angela Merkel nur das Treffen mit Alexis Tsipras im Kopf hatte, der lag falsch. Direkt davor traf sie sich mit nationaler und internationaler Gewerkschaftsprominenz, um ein Lieblingsthema ihrer seit Juni 2014 laufenden G7-Präsidentschaft voranzubringen: internationale Arbeits- und Umweltschutzstandards.
Dies war einer von insgesamt sechs Terminen, bei denen Merkel Input von Vertretern der Zivilgesellschaft für das G7-Treffen im Juni im bayerischen Schloss Elmau sammelt. Die Gewerkschaften machten den Anfang. Deren zentrale Forderung hat es in sich: "Beim derzeitigen Lieferketten-Geschäftsmodell haben die Beschäftigten das Nachsehen, deshalb brauchen wir ein neues Geschäftsmodell", forderte die engagierte Australierin Sharan Burrow, Generalsekretärin der Internationalen Gewerkschaftsorganisation ITUC. Globale Lieferketten erzeugten Sklavenarbeit, Hungerlöhne und viel zu viele Arbeitsunfälle.
"Wegschauen keine Option"
Burrow lobte Merkel mehrfach, dass sie das Thema nun mit ihrer internationalen "Leadership" ansprechen wolle. Die Kanzlerin schraubte sogleich die Erwartungen herunter, sie könne nicht "das Blaue vom Himmel versprechen". Aber immerhin: Eine intensive Diskussion über weltweite Arbeitsbedingungen habe es bei den G7 auch noch nicht gegeben. Merkel sagte zu, das Thema auch bei den folgenden Präsidentschaften Japan und Italien anzuregen.
Die Textilindustrie zum Beispiel werde nicht weitermachen können wie bisher, betonte Merkel in der Diskussion. Die Firmen sollten sich rechtzeitig auf nachhaltiges Produzieren einstellen. Denn irgendwann könnten sie vor Arbeits- und Sozialstandards nicht mehr in ein weiteres Land ausweichen, so wie sie das seit Jahrzehnten versuchten, indem sie ihre Fabriken verlagerten. "Die Bandagen werden härter werden", so Merkel. "Wegschauen ist keine Option mehr." Das Internet habe Produktionsbedingungen transparenter gemacht.
Transparenz ist eine von drei Strategien, die für bessere Arbeitsbedingungen weltweit sorgen sollen - neben Prävention und Beschwerdemanagement. Merkel unterschied hierbei zwischen den internationalen Großunternehmen, die häufig ihren Sitz in einem G7-Staat haben, und den vielen kleinen Firmen, auf die die G7-Regierungen keinen direkten Einfluss hätten. Sie appellierte an die Gewerkschaften, internationale Verträge mit Firmen zu erwägen. Alternativ könnte Entwicklungshilfe an die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards gekoppelt werden.
"Schlechte Marktwirtschaft"
Merkel gab aber auch zu verstehen, dass sie auf die Kräfte des Marktes vertraue. Eine zentrale Erfahrung vieler Jahrzehnte sozialer Marktwirtschaft in Deutschland sei, dass sichere und gute Arbeitsbedingungen Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg und Qualität der Produkte seien.
Unterstützung fand Merkel bei Oliver Niedermaier, einem deutschen, international tätigen Unternehmer, der Investoren an nachhaltig wirtschaftende Firmen vermittelt. In Südostasien habe er bei vielen Firmen einfach "schlechte Marktwirtschaft" erlebt. Die dort wirklich erfolgreichen Firmen seien die, die ihre Arbeiter gut behandelten und Umweltstandards einhielten. Sie seien damit produktiver und attraktiver für die Global Player. Niedermaier betonte, mehr Lohn in Bangladesch müsse nicht zwangsweise höhere Jeanspreise in Europa bedeuten.
Merkel nannte es in diesem Zusammenhang "ziemlich peinlich" für die Firmen, dass der Entschädigungsfond für die Opfer des Einsturzes des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch vor zwei Jahren noch immer nicht gefüllt sei. Hier mit öffentlichen Geldern auszuhelfen, darin sehe sie nicht ihre Aufgabe.
Reiner Hoffmann, seit Mai 2014 Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, bedankte sich bei Merkel für ihre Agenda. Nach dem abschließenden Gruppenfoto eilte die Kanzlerin zum Empfang von Alexis Tsipras.