"Gute Arbeit weltweit"
11. März 2015Die Bundesregierung will ihre G7-Präsidentschaft nutzen, um die Umwelt- und Sozialstandards zu verbessern, unter denen Textilien, Lebensmittel und andere Güter gefertigt werden. Mit einer zweitägigen Konferenz starteten Arbeitsministerin Andrea Nahles und Entwicklungsminister Gerd Müller eine gemeinsame Initiative unter dem Motto "Gute Arbeit weltweit".
In vielen Entwicklungsländern herrschten soziale Bedingungen wie in Deutschland des 19. Jahrhunderts, kritisierte Müller und erinnerte an den Aufstand der schlesischen Weber im Jahr 1844, der letztlich zur Einführung der Sozialgesetzgebung 40 Jahre später geführt habe. Auch heute gehe der Wandel von der Textilbranche aus, die in Ländern wie Pakistan, Indien und Bangladesch zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen für den westlichen Markt produziere. "Wir wollen Lieferketten sozial gerecht gestalten in einer Welt der Globalisierung", sagte Müller.
Dazu gehörten soziale und ökologische Mindeststandards im Welthandel, eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften und die Schaffung eines UN-Nachhaltigkeitsrates. Außerdem solle die Welthandelsorganisation WTO von einer Freihandelsorganisation zu einer "Fairhandelsorganisation" umgebaut werden. "Wenn 20 Prozent der Menschheit, nämlich wir, 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen, dann wird klar, dass wir ein Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblem haben", unterstrich Müller. Eine Näherin in Indien oder Bangladesch verdiene nur 2 Euro für die Fertigung einer Jeans, die in Berlin für 100 Euro verkauft werde.
Millionen Menschen kommen bei Arbeitsufällen ums Lebens
Die Sensibilität gegenüber dieser globalen Ungleichheit sei in den G7-Staaten, den sieben wichtigsten Industrienationen gewachsen, betonte Arbeitsministerin Andrea Nahles. Vor allem die Katastrophen in Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan in den letzten Jahren hätten deutlich gemacht, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. "Wir haben eine neue Entschlossenheit, das jetzt anzupacken", versprach die Ministerin. Sie wies darauf hin, dass alle 15 Sekunden ein Mensch durch einen Arbeitsunfall oder eine berufsbedingte Krankheit sterbe. Darum schlage sie einen globalen Präventionsfonds vor, der gespeist werden solle aus freiwilligen Beiträgen der G7-Länder. Mit den Geldern könnten Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, die Ausbildung von Sicherheitsinspektoren und der Aufbau von Unfallversicherungen finanziert werden.
Die Missachtung internationaler Arbeits- und Sozialstandards führe nicht nur zu millionenfachem menschlichem Leid, sondern habe auch eine beachtliche volkswirtschaftliche Dimension, erklärte Nahles. Pro Jahr entstehe durch Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen ein Schaden von 2,8 Billionen US-Dollar.
Friedensnobelpreisträger fordert globales Mitleid
An der Konferenz in Berlin nehmen auch zahlreiche Experten, Politiker und Aktivisten aus dem Ausland teil. Unter ihnen der indische Friedensnobelpreisträger Kailasch Satyarthi, der gegen die Ausbeutung von Kindern kämpft. In seiner indischen Heimat setzt er sich für die Befreiung von Kindersklaven ein. Mit seiner Organisation "Rettet die Kindheit-Bewegung" hat er rund 80.000 Kinder aus Sklaverei und Schuldknechtschaft befreit. In Berlin rief er die Teilnehmer der Konferenz dazu auf, sich für "die Globalisierung des Mitleids" einzusetzen. "Im Zeitalter der Globalisierung tragen wir alle Verantwortung. Wir können kein Problem alleine lösen, weder die globale Erwärmung, noch den internationalen Terrorismus oder die Armut. Und das gleiche gilt für Kinderarbeit", so Satyarthi.
In Bangladesch hat sich vieles verbessert
Der Handelsminister von Bangladesch, Tofail Ahmed, warb um Verständnis für sein Land, das im Jahr 1971 mit einer Bevölkerung von 75 Millionen Menschen völlig mittellos in die Unabhängigkeit gestartet sei. "Wir haben unsere Reise mit leeren Händen begonnen", sagte er. Heute habe Bangladesch 160 Millionen Einwohner, verfüge über Reserven von mehr als 23 Milliarden US-Dollar und exportiere Waren im Wert von 33 Milliarden. Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza im Jahr 2013 mit mindestens 1130 Toten und mehr als 2000 Verletzten sei ein Weckruf für seine Regierung gewesen. Seither habe man zahlreiche Gesetze zum Arbeitsschutz auf den Weg gebracht, die Gründung von Gewerkschaften gefördert und die Kinderarbeit abgeschafft.
Auch der Unternehmer Miran Ali lobte die Anstrengungen der Regierung in Dhaka zur Verbesserung des Arbeitsschutzes. Nach dem Park-Plaza-Unglück und dem verheerenden Feuer in einer Textilfabrik in Pakistan habe man sich von Experten aus dem Ausland beraten lassen und inzwischen seien Brandschutz und Arbeitssicherheit wichtige Themen in seinem Land. Dafür drohe der Textilwirtschaft in Bangladesch nun ein Verdrängungswettbewerb durch die Konkurrenz aus Ländern wie Kambodscha, die sich nicht um Arbeitssicherheit kümmerten. "Es darf hier keine Rabatte geben. Wir brauchen weltweit geltende Standards für Arbeitssicherheit und Ressourcenschonung", erklärte Ali.