Mini-Merkel, Anti-Merkel und Rebell
2. November 2018Das Verhältnis zu den USA / Präsident Trump
Annegret Kramp-Karrenbauer ist bisher mit Äußerungen zur Außenpolitik nicht sonderlich aufgefallen. Als Saarländerin ist sie quasi natürliche Frankreich-Expertin, doch ihre Amerika-Expertise ist ausbaufähig. Immerhin hat sie als CDU-Generalsekretärin einmal die USA besucht, sprach beim Jahrestreffen der US-Gouverneure und besuchte eine BMW-Fabrik. Ein Anfang, mehr nicht. Von US-Medien wird sie gerne "Mini-Merkel" genannt. Als sensible, intelligente Frau wird sie wohl keine Freundin von Raubauz Trump werden.
Als Vorsitzender der US-freundlichen Organisation "Atlantik -Brücke" hat Friedrich Merz sehr gute Kontakte nach Nordamerika und ein grundsätzlich positives Verhältnis zu den USA. Für ihn ist die transatlantische Partnerschaft eine der wichtigsten Säulen deutscher Außenpolitik. Bei Trumps Drohungen mit Strafzöllen aber hört der Spaß für Merz auf. Denn als Wirtschafts(fach)mann lehnt er jede Art von vermeidbaren Handelsbeschränkungen ab.
Jens Spahn würde wohl am besten mit den Protagonisten der Trump-Administration klar kommen. Die Trumpisten sind schon früh auf den jungen, forschen Quer-zu-Merkel-Denker aufmerksam geworden. Der Mann mit dem Rebellenimage traf sich als einer der ersten mit dem neuen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, und wurde kurze Zeit später sogar im Weißen Haus von US-Sicherheitsberater John Bolton empfangen. Eine solche Ehre wurde bisher noch keinem deutschen Gesundheitsminister zuteil. Für Trump und Co. wäre ein CDU-Vorsitzender Spahn nur der erste Schritt, sie hoffen auf einen Kanzler Spahn.
Das Verhältnis zu Russland / Präsident Putin
Russland ist für Annegret Kramp-Karrenbauer bisher ein Buch mit sieben Siegeln. Es ist aber anzunehmen, dass sie häufig mit ihrer Vertrauten Angela Merkel, einer expliziten Russlandkennerin, über den zwielichtigen Chef im Kreml gesprochen haben. Alles, was sie bisher über Russland von sich gegeben hat, sind Wiederholungen Merkelscher Positionen. Sie wird Putin mit Vorsicht genießen wegen seines Angriffs auf die Ukraine, so wie Merkel. Überhaupt wird sie in Sachen Russland vieles so tun wie Merkel und sich ansonsten raushalten.
"Die Demokratien des Westens sind die wichtigsten Verbündeten Deutschlands." Mit diesem Satz hat Friedrich Merz sich am Donnerstag in Berlin den Hauptstadtjournalisten neu vorgestellt. Das heißt wohl im Umkehrschluss: Das im Osten gelegene quasidemokratische Russland kommt - wenn überhaupt - erst an zweiter Stelle. Merz‘ Prioritäten sind also klar. Als Aufrüstungsbefürworter und NATO-Freund sieht er Russland als natürlichen strategischen Widersacher, aber ein bisschen ist er auch Putin-Versteher. So bezeichnet Merz den russischen Präsidenten zwar als ernstes Risiko für den Westen, nicht ohne anzumerken, dass der Westen die Sensibilitäten Russlands nicht berücksichtigt habe.
Ganz ähnlich veranlagt ist Jens Spahn: Verankert im Westen, kritisch gegenüber dem Osten. Dabei sagt er rigidere Sachen als Merz, wie dies: "Schauen Sie auf Russland oder den islamistischen Terror, in unserer Nachbarschaft wird es unsicherer". Der SPD und der Linkspartei hat er mehrfach Putin-Versteherei vorgeworfen ohne aber zu sagen, wie denn aus seiner Sicht das Verhältnis zu Moskau aussehen soll.
Das Verhältnis zu Merkels Flüchtlings- und Migrationspolitik
Ganz auf Merkel-Linie ist Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie teilt Merkels christlich-humanitären Integrations-Ansatz und hat gleichzeitig alle Zurück-Ruder-Aktivitäten der Regierung mitgetragen. Ein einziges Mal ist sie mit einer eigenen Idee aufgefallen. Mit ihrem Vorschlag für ein allgemeines Dienstjahr für Flüchtlinge stieß sie allerdings auf breite Kritik. Mit dem Satz "In der Flüchtlingspolitik ist eine Kontroverse entstanden, deren Auswirkungen man bis heute spürt", analysierte sie das Dilemma der Union gut, das sei so wie die Agenda 2010 für die SPD. Aber einen Weg aus der Krise zeigte sie bisher nicht auf.
Ein ausgesprochener Gegner der Merkelschen Flüchtlingspolitik ist Friedrich Merz nicht. Solange der Zustrom von Migranten so niedrig bleibt wie zur Zeit, sieht er wenig Probleme. Er warnt aber vor "Überforderungs- und Überfremdungsängsten" in der deutschen Bevölkerung sowie Kriminalitätsentwicklungen, die "punktuell, nicht strukturell" Anlass zur Sorge bieten. Und er wirft der AfD vor, das Problem in der Wahrnehmung der Bürger künstlich zu vergrößern. Merz steht für vieles, aber nicht für einen Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik.
Anders Jens Spahn. Der wird nicht müde, die Kanzlerin zu kritisieren, unter anderem für ihren Versuch, die Flüchtlingspolitik aus dem Wahlkampf möglichst herauszuhalten. Gegenüber der BILD-Zeitung sagte er: "Die fromme Bitte, über den September 2015 einfach nicht mehr zu sprechen, läuft ins Leere. Unser Land erfährt weiterhin eine jährliche ungeordnete, überwiegend männliche Zuwanderung in einer Größenordnung von Städten wie Kassel." Die Flüchtlingspolitik sei weiterhin der wichtigste Grund für den Vertrauensverlust der CDU. So laut und deutlich sagt das keiner in der CDU. Sollte Spahn CDU-Chef werden, wird Merkel es sehr, sehr schwer haben.