Militär übernimmt Kontrolle in Rio
16. Februar 2018Per Dekret entsandte Präsident Michel Temer brasilianische Armee-Einheiten im Kampf gegen die ausufernde Kriminalität nach Rio de Janeiro. "Ich habe diese Maßnahme ergriffen, weil die Umstände es erfordern. Die Regierung wird harte und entschlossene Antworten finden, um das organisierte Verbrechen und die kriminellen Banden zu besiegen", sagte der Staatschef.
Die Anordnung wurde an diesem Freitag sofort wirksam, muss aber innerhalb von zehn Tagen vom Kongress in Brasilia gebilligt werden. Es ist die erste umfassende Intervention der brasilianischen Streitkräfte im Inneren seit der Verabschiedung der demokratischen Verfassung im Jahr 1988 nach dem Ende der Militärdiktatur.
Der Einsatz soll voraussichtlich bis Ende des Jahres dauern. Bereits seit vergangenem Juli unterstützen rund 8500 Soldaten die Polizei in der Olympiastadt von 2016 - allerdings ohne greifbaren Erfolg. Die Soldaten patrouillieren unter anderem in den Favelas, den Armenvierteln, in denen sich die Kriminalität immer weiter ausdehnt. Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Drogenhändlern und der Polizei sind an der Tagesordnung. Immer wieder sterben dabei auch unbeteiligte Passanten durch Querschläger.
Mit dem neuen Dekret soll das Militär offenbar die Verantwortung für die Sicherheit im gesamten Stadtgebiet von Rio de Janeiro und im umliegenden gleichnamigen Bundesstaat übernehmen. So sollen die Streitkräfte auch die Einsätze der Polizei koordinieren. Geleitet werden soll der Einsatz von General Walter Souza Braga Netto, der bereits während der Olympischen Spiele in Rio für die Sicherheit verantwortlich war.
Massive Militärpräsenz - zu spät?
Seit den Sommerspielen 2016 hat sich die Sicherheitslage in der 6,5 Millionen-Metropole am Zuckerhut dramatisch verschlechtert. Vor allem während der jüngsten Karnevalssaison häuften sich die Raubüberfälle. Mehr als 17.000 Polizisten waren während des Karnevals im Einsatz, um für Sicherheit zur sorgen, trotzdem war es immer wieder zu Raubüberfällen gekommen. Bilder von Gruppen junger Männer, die Touristen umzingelten, waren immer wieder im brasilianischen Fernsehen gezeigt worden.
Zudem kämpfen Drogenbanden um die Kontrolle besonders in den Favelas und liefern sich Schießereien untereinander oder mit der Polizei. Im vergangenen Jahr lag die Mordrate im Bundesstaat Rio de Janeiro bei 40 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohner. Die Zahl der Morde ist laut offizieller Statistik seit 2016 um 26 Prozent gestiegen. Zudem wurden über 230.000 Raubüberfälle registriert.
qu/wa (dpa, afp, APE)