Migranten haben es in Deutschland nicht leicht
14. Februar 2020Keine Deutschkenntnisse, keine Ausbildung: dem Syrer Beniyan Bachar ging es wie so vielen anderen, als er als jugendlicher Flüchtling nach Deutschland kam. Heute ist der Kurde 23 Jahre alt und hat im Sommer 2019 im niedersächsischen Osnabrück seine Ausbildung zum Friseur abgeschlossen - als Bester seines Jahrgangs. "Ich bin einfach nur glücklich", sagte er bei seiner Auszeichnung in der örtlichen Handwerkskammer.
Eine Erfolgsgeschichte und ein praktisches Beispiel dafür, wie es im besten Fall laufen kann: Auf der einen Seite ein junger Flüchtling, der fleißig und bereit ist, sehr viel zu lernen. Auf der anderen Seite ein Team aus Ausbildern, Sprachlehrern und Sozialpädagogen, die ihm während der gesamten Ausbildung zur Seite stehen.
Kein Selbstläufer
"Unsere Betriebe haben mit Auszubildenden mit Fluchterfahrung überwiegend positive Erfahrungen gemacht", sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). "Was nicht heißt, dass eine solche Ausbildung ein Selbstläufer ist." Zu diesem Schluss kommt auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer aktuellen Studie. Sie heißt "Das Potenzial von Migranten nutzen" und untersucht die Hindernisse, vor denen Bildungswillige in Deutschland auf ihrem Weg in und durch die Ausbildung stehen.
Hindernis Nummer eins sind fehlende Sprachkenntnisse, aber oftmals auch kriegsbedingt eine mangelhafte Schulausbildung. Laut OECD sind berufsvorbereitende Maßnahmen für Migranten unerlässlich. Allerdings koste es Zeit, Deutsch zu lernen, eventuell einen Schulabschluss nachzuholen, Bewerbungen zu schreiben, zu Behörden zu gehen oder eine Wohnung zu suchen, mahnt die OECD.
Wettlauf mit dem eigenen Asylverfahren
Zeit, die viele nicht haben, weil sie schnell Geld verdienen wollen oder Angst haben, dass sie abgeschoben werden, wenn sie keine Arbeit haben. Zudem ist es in Deutschland vom Wohnort abhängig, wer in welchem Alter und wie lange Anspruch auf eine Berufsvorbereitung hat. In sieben Bundesländern haben Jugendliche nur zwischen 16 und 18 Jahren Anspruch auf eine Berufsvorbereitung, in anderen auch noch Migranten mit 21, 25 oder 27 Jahren. Das müsse vereinheitlicht werden, fordert die OECD.
Im Vergleich zu Jugendlichen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nehmen Migranten seltener eine betriebliche Ausbildung auf. Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bedauert das, er weiß aber auch, warum das so ist: "Um Geld zu verdienen." 450 Euro bekommt ein Auszubildender im Friseurhandwerk im ersten Lehrjahr. 550 Euro sind es im zweiten und etwa 700 Euro im dritten Lehrjahr. Das ist weitaus weniger, als man in einem Job als ungelernter Hilfsarbeiter verdienen kann.
"Das ist cool, das will ich auch."
Erst mit bestandener Ausbildung geht es finanziell bergauf und damit natürlich auch gesellschaftlich. "Vielfach wird der Stellenwert der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland unterschätzt", so Schwannecke. Das müsse den Jugendlichen stärker vor Augen geführt werden. "Wir müssen mehr erfolgreiche Unternehmer mit Migrationshintergrund als Vorbilder gewinnen, damit die Jugendlichen sehen: Der oder die hat es geschafft, das ist cool, das will ich auch."
Ohne Migranten würden viele Handwerksbetriebe ihren Fachkräftebedarf überhaupt nicht mehr decken können. Von allen Auszubildenden mit einer Staatsangehörigkeit aus einem der acht häufigsten Asylzugangsländer absolviert etwa die Hälfte eine Ausbildung im Handwerk. Zwischen 2015 und 2018 verdoppelte sich die Zahl der Azubis ohne deutschen Pass im Handwerk beinahe, aktuell sind es 18.680. Trotzdem blieb im vergangenen Jahr jede zehnte Ausbildungsstelle im Handwerk unbesetzt.
Hohe Abbrecherquote
Es reicht aber nicht, die jungen Flüchtlinge nur für eine Ausbildung zu begeistern. Gemessen an der Gesamtzahl der Auszubildenden brechen überdurchschnittlich viele von ihnen ihre Ausbildung wieder ab.
Flüchtlinge bräuchten viel mehr Unterstützung während der Berufsausbildung, heißt es dazu in der OECD-Studie. "Wir brauchen eine assistierte Ausbildung, mehr Kommunikation zwischen Schulen, Betrieben und Sozialämtern und ein Frühwarnsystem, damit man rechtzeitig eingreifen kann, um die Leute bei der Stange zu halten", fordert der stellvertretender OECD-Generalsekretär Ludger Schuknecht.
Defizite auch bei den Arbeitgebern
Es gibt aber auch immer noch Betriebe, die gar keine Flüchtlinge auszubilden. "Da gibt es eine Diskriminierung, die nicht etwa einen rassistischen oder sonstigen Hintergrund hat, sondern die einfach aus der Kalkulation kommt, dass da dieses höhere Risiko ist und dass man sich gegenseitig nicht so gut versteht", so Schuknecht.
Das größte Risiko ist nach wie vor die nicht eindeutige Rechtslage. Seit einiger Zeit gibt es eine Regelung, die Auszubildende schützt, sollte ihr Asylantrag abgelehnt werden. Wenn sie einen Ausbildungsvertrag haben, dürfen sie ihre Ausbildung abschließen und danach erst einmal zwei Jahre weiterarbeiten. Doch diese sogenannte "3+2"-Regelung wird von den Behörden auch regional sehr unterschiedlich ausgelegt.
Hoffen auf den 1. März
"Das Schlimmste für die Unternehmen ist, wenn ihnen dann jemand in Ausbildungsvorbereitung oder in der Ausbildung weggenommen wird", so ZDH-Generalsekretär Schwannecke. "Das spricht sich rum und dann heißt es unter Kollegen: Ich wollte helfen, aber das brauchst du nicht zu machen, denn den holen sie dir sowieso weg."
Beim Handwerk hofft man darauf, dass das am 1. März 2020 in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Situation verbessern wird. Den Betrieben sei egal, was wo und in welchem Gesetz geregelt sei, fasst Schwannecke zusammen. Sie forderten einfach nur Rechtssicherheit. "Ich hoffe, dass es im Interesse von Qualifizierung und Ausbildung zur großzügigen Anwendung der Regelungen kommen wird."