Meyer-Werft schließt Tarifvertrag für Leiharbeiter
16. Dezember 2013Die Meyer-Werft in Papenburg hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zwei bis drei Schiffe pro Jahr fertig gestellt - und deshalb das Personal immer wieder aufgestockt. Zu Spitzenzeiten beschäftigt die Werft knapp 5000 Menschen. Rund 1500 davon sind Werkvertragsarbeiter aus Rumänien und Bulgarien.
Wir treffen einen 53jährigen Werkvertragsarbeiter, der ungenannt bleiben will. Er ist gelernter Schiffbauer. Der Fernseher läuft in seiner Unterkunft, ein Programm aus der rumänischen Heimat. Er erzählt, dass sein Chef die Leute gefragt habe, ob sie Doppelschichten machten wollen. Kaum einer habe abgelehnt. Schließlich gab es mehr Geld.
Neuer Mindestlohn: 8,50 Euro
Die meisten Werkvertragsarbeiter hatten bei rumänischen oder bulgarischen Firmen angeheuert. Sie wurden an deutsche Subunternehmen weitergereicht. Auf dem Gelände der Meyer-Werft, wo sie letztendlich arbeiteten, waren sie nur für Notfälle krankenversichert und bekamen ihren Lohn bar ausbezahlt. Für all das sah sich das Papenburger Unternehmen nicht verantwortlich. Ebenso wenig für Arbeitszeitüberschreitungen oder für die Art und Weise, wie die Arbeiter nach Feierabend untergebracht wurden.
Im Sommer brach in einem Wohnhaus, in dem 14 Rumänen lebten, aus noch immer ungeklärten Grünen ein Brand aus. Zwei Bewohner erstickten. Die Meyer-Werft, unverhofft in die Schlagzeilen geraten, suchte die Offensive. Zusammen mit dem Betriebsrat und Vertretern der Gewerkschaft setzte sich das Unternehmen an einen Tisch. Man einigte sich auf einen Haustarif für Werkvertragsarbeiter, sagt Evelyn Gerdes von der IG-Metall. "Dieser Tarifvertrag ist bundesweit der erste dieser Art, und ich hoffe, dass das auch ein Beispiel ist, dem andere folgen“. Künftig gilt ein Mindestlohn von 8,50 Euro, Facharbeiter würden mehr erhalten. "Und das erweiterte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, das war für uns auch sehr wichtig."
Leiharbeitsfirmen werden kontrolliert
Betriebsratsvorsitzender Thomas Gelder ist hinübergegangen in Halle 5. Vor Kurzem wurde dort ein weiteres Kreuzfahrtschiff auf Kiel gelegt. Viel ist davon noch nicht zu sehen. In den nächsten Monaten wird der Neubau langsam bis unter die 50 Meter hohe Hallendecke emporwachsen. "Wir haben uns schon die ersten Subunternehmen angeguckt und kontrollieren das auch weiter“. Vor allem auf schriftliche Lohnabrechnungen, die dem Betriebsrat auf Anfrage neuerdings vorgelegt werden müssen, legt Thomas Gelder großen Wert.
Er weiß auch, dass in der Vergangenheit Werkvertragsarbeiter nicht zum Augenarzt oder zum Zahnarzt überwiesen werden konnten. "Die waren nach rumänischem Recht versichert, das muss man sich so ähnlich vorstellen, als wenn wir in den Urlaub fahren.“ Aber auch hier seien die ersten Firmen dabei, auf deutsche Krankenversicherungen umzustellen.
Bulgarien und Rumänien werden Vollmitglieder der EU
Seit 1. Oktober gilt der Tarifvertrag für Werkvertragsarbeiter. Die Meyer-Werft ist das erste deutsche Unternehmen, das sich diese Selbstbeschränkung auferlegt. Andere Unternehmen reagierten durchaus mit Unmut - in den ersten Tagen zumindest, räumt Firmensprecher Peter Hackmann ein. "Es gab natürlich warnende Hinweise aus dem Arbeitgeberlager, aber in den letzten Wochen ist mir da nichts bekannt geworden".
Vieles wird sich ohnehin zum 1. Januar 2014 ändern. Wenn Bulgarien und Rumänien zu Vollmitgliedern der EU aufrücken, können die Bürger beider Staaten innerhalb der Europäischen Union arbeiten, wo sie wollen. Sie können sich direkt an die Meyer-Werft in Papenburg wenden. Bleibt die Frage, ob sie dort Arbeit finden. Oder ob die Werft, im Kalkül, dieselbe Arbeit billiger einzukaufen, weiterhin Werkverträge ausschreibt.
Zwischen zwei Welten
Mit Doppelschichten brachten es die bulgarischen und rumänischen Monteure, Schweißer und Schiffbauer auf 2100 Euro im Monat - allerdings bei 70 Wochenstunden und mehr. Unzufrieden, so scheint es, waren sie damit nicht. Heute, sagt der rumänische Werkvertragsarbeiter, der anonym bleiben will, verdienen die Kollegen noch 1400 Euro – und zwar netto. Kost und Logis sind da schon abgezogen. Für die meisten Landsleute sind das aber immer noch paradiesische Löhne.
Vom Wirtschafts- und Wohlstandsgefälle innerhalb der EU profitieren gleichermaßen die Unternehmen hierzulande. Auf der Strecke bleiben da die deutschen Standards in Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Arbeitslohn. Auf der Meyer-Werft in Papenburg sucht man nun einen Kompromiss zwischen beiden Arbeitswelten.