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Morörhead: Lemmy Kilmister wird 70

Silke Wünsch24. Dezember 2015

Eine lebende Rock-Legende: 40 Jahre Rock'n'Roll haben ihre Spuren hinterlassen bei Lemmy Kilmister. Von Rockfans weltweit verehrt, feierte der Motörhead-Boss Heiligabend 70. Geburtstag - passte wie Faust aufs Auge.

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Wacken Open Air WOA Lemmy Kilmister
Bild: picture-alliance/dpa

Müde wirkt er, als er im November 2015, kurz nach den Anschlägen von Paris ein Interview gibt. Lemmy Kilmister raucht und erzählt mit heiserer Stimme, dass Motörhead schon oft im Bataclan gespielt hat. Mindestens zehnmal. Einen Tag nach dem Blutbad in dem Musikclub sollten Motörhead in Paris auftreten. Das Konzert wurde abgesagt. "Ich hätte trotzdem gespielt", sagt Lemmy Kilmister, "Jetzt erst recht, die Arschlöcher können mich mal." Die klugen, wässrigen Augen leuchten, und das Grinsen kehrt in sein Gesicht zurück.

Lemmy ist mager, wirkt fast zerbrechlich, daran ändern auch sein dunkel gefärbter Bart und die getönten Haare, auf denen der obligatorische Hut sitzt, nichts. Lemmy ist nun mal 70 und hat ein Leben geführt, das andere schon längst unter die Erde gebracht hätte. Whisky-Cola, Zigaretten, Drogen - und zuletzt eine Diabetes, die ihn in letzter Zeit mehrmals ausgeknockt hat, so dass Tourneen und Konzerte ausfielen oder verschoben werden mussten.

Jetzt sind Motörhead auf Europatournee. Und Lemmy röhrt wie immer. Vor ausverkauften Hallen. Was macht diese Band nur aus? Eigentlich sind sie doch nur laut und schnell und manche sagen sogar: untalentiert. Metalheads aber fallen vor diesen Urtieren des Rock'n'Roll vor Ehrfurcht in den Staub.

Die Geburt des Metal-Punk

Anfangs war das nicht so. Nachdem Lemmy bei den Spacerockern von Hawkwind rausgeflogen ist (er war für ein paar Tage wegen Drogenbesitzes im Knast), sucht er sich eine eigene Band. Die nennt sich "Bastard". Lemmys damaliger Manager meint, dass die Band es mit diesem Namen nie weit bringen würde. So entscheidet man sich für "Motörhead". Das Ö findet Lemmy so schön martialisch, so schön deutsch. Die Musik: harter Biker-Rock mit Punk. Das ist anfangs nicht leicht. Keiner hat wirklich an sie geglaubt - als Rockband nicht und als Punkband nicht. Motörhead müssen spielen und spielen, bis sie mit dem Song "Bomber" den Durchbruch schaffen.

Motörhead auf der Bühne
Metal-Punker bei der ArbeitBild: picture alliance/Geisler-Fotopress/C. Niehaus

Dass diese Band 40 Jahre lang existieren würde, das ist heute unglaublich für Lemmy. Fast wie ein Witz, sagt er. Auch witzig findet er, dass Motörhead so gerne als Urväter des Heavy Metal angesehen werden. "Wir waren nie eine Metalband", sagt Lemmy, "Wir sind eine Rock'n'Roll-Band." Und die besteht aus drei Musikern: Schlagzeug, Gitarre und Bass. Das reicht. Denn Lemmy Kilmister spielt den Bass nicht wie ein normaler Bassist. Er spielt den Bass wie eine verzerrte E-Gitarre und knallt dem Zuhörer tiefe und wummernde Powerchords entgegen. Außerdem singt er so, als hätte er einen Esslöffel voll Glassplitter geschluckt und das Ganze mit Schleifpapier runtergespült. Das macht den Sound von Motörhead einzigartig.

Vorbild für Metaller

Die Wirkung auf Kollegen ist riesig. Gerade aus der Metalszene schlägt Motörhead größte Sympathie entgegen - viele lassen sich von dem schnellen Rock inspierieren. Der Song "Bomber" gilt gar als Grundstein für den "Thrash Metal", einer besonders schnellen Spielart des Heavy Metal. Damit nicht genug: Lars Ulrich, der Schlagzeuger von Metallica, gründet den ersten Motörhead-Fanclub in den USA.

Rock am Ring Motorhead
Motörhead sind Stammgast bei allen großen RockfestivalsBild: Rock am Ring

Doch die Jungs heben nicht ab, sondern leben ihren Outlaw-Style mit jeder Faser. Das einzige Gesetz, das hier gilt, heißt "Sex & Drugs & Rock'n'Roll": Es wird gefeiert, gesoffen, gegrölt - und genug Frauen gibt es auch immer. Lemmy pflegt sein Image als Rock'n'Roll-Schurke, dem man nachts lieber nicht begegnen möchte. Eins seiner überlieferten Zitate lautet: "Wenn wir ins Nachbarhaus einziehen würden, würde euer Rasen absterben." (aus: Rock Rough Guide)

Lemmy sammelt Militaria. Ja, und er hat eine umfangreiche Sammlung von Nazi-Devotionalien. Er mag den Style, nicht die Überzeugung dahinter. "Die Bösen haben einfach die besseren Uniformen. Ansonsten hat es keine Funktion mehr", erklärt Lemmy immer wieder.

Wo Legenden sind, da sind auch Gerüchte

Ian "Lemmy" Kilmister wurde am 24.12.1945 im englischen Staffordshire geboren. Der Vater verließ die Mutter früh. Lemmys früheste Kindheitserinnerung: "Ich steh im Laufstall, klammere mich an den Stäben fest und brülle. Ich muss wohl geprobt haben."

Immer wieder wird Lemmy gefragt, welchen Bezug er zu seinem Geburtsdatum hat. Ein Metalmonster, der Antichrist des Rock'n'Roll, das singende Scheusal hat ausgerechnet an Heiligabend Geburtstag. Da zuckt Lemmy die Schultern. "Es ist der Tag vor Weihnachten. Weihnachten beginnt am 25., und das ist der Tag, an dem Jesus' Geburtstag gefeiert wird."

Um Lemmy ranken sich viele Geschichten. Etwa, dass er damals in den 1960ern, als er Roadie von Jimi Hendrix war, für die täglische Drogenbeschaffung zuständig war. Oder dass er Sid Vicious (Sex Pistols) das Bassspielen beigebracht habe. Gar nicht mag Lemmy die Vermutung, er trage auf der Bühne Windeln. Sehr hübsch aber ist die Anekdote mit dem Foo Fighters-Video. Die hatten Lemmy 2011 für ihren Clip zu "White Limo" engagiert. Der sitzt hinterm Steuer und fährt mit einer weißen Stretchlimousine durch die Stadt. Rauchend und Whiskey trinkend. Es heißt aber, dass Lemmy in Wirklichkeit gar nicht Auto fahren kann.

Lemmy Klimister am Steuer eines Wagens. Er zeigt den Stinkefinger
Alkohol am Steuer? Für Lemmy kein ProblemBild: YouTube

Mittlerweile ist Lemmy von Whiskey auf Wodka umgestiegen. Gerne mit Orangensaft. Gegen seine Diabetes nimmt er Pillen, ansonsten hat sich sein Lebensstil nicht verändert. Aber empfehlen möchte Lemmy seinen Lebensstil niemandem: "Da sterben zu viele Leute dran. Viele meiner Freunde auch. Ich habe einfach Glück gehabt bisher."