Generation Wacken
2. August 2014"Die Stimmung ist so geil, es ist so eine positive Atmosphäre hier, alle sind happy und freuen sich!" - Nein, wir sind nicht in Woodstock. Und Kiki, die Frau mit den langen Haaren, dem flatternden Rock und den klingenden Armreifen ist kein Hippie sondern eine waschechte "Wackingerin". Jedes Jahr kommt sie mit ihrer Schwester Steffi zum Festival, um im "Wackinger Village" - so der Name des Dorfs innerhalb des Festivalgeländes - Schmuck und kleine Glöckchen zu verkaufen. Auf den ersten Blick sind das nicht unbedingt die Accessoires, die man mit Heavy Metal in Verbindung bringt.
Der Schein trügt, denn in Wacken ist alles erlaubt: "Jeder darf hier so sein, wie er will. Jeder darf rumspinnen und ist trotzdem willkommen. Das ist echt der Hammer", sagt Steffi über die gute Stimmung. Und so taucht man ein in eine realitätsfremde Welt, die sich viele Elemente aus der Fantasy-Kultur geliehen hat. Vor einem Zelt sitzt erschöpft ein Mädchen im Elfenkostüm, eine Gruppe Wikinger läuft grölend durchs Bild, der Brite Scott versucht sich im "Wackinger Village" beim Armbrustschießen.
Bunte Vögel aus aller Welt
Scott und seine Freunde sind ein gutes Beispiel dafür, wie verschieden und international das Publikum beim Wacken Open Air ist. "Wir wollten schon zu Schulzeiten herkommen, aber es hat irgendwie nie geklappt." Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum haben sie es dann doch geschafft, die Truppe zusammenzutrommeln und von London Heathrow mit Flieger und Zug bis nach Schleswig-Holstein zu gelangen.
25 Jahre Wacken Open Air: Das sind 25 Jahre, in denen abseits der großen Städte Musikgeschichte geschrieben wurde. Ob Motörhead, Saxon oder Rammstein - sie alle standen schon hier auf der Bühne. Aber es sind vor allem die Fans, die Wacken zu dem gemacht haben, was es heute ist: das größte und beliebteste Heavy-Metal-Festival der Welt.
Heavy Metal ist nicht nur eine Musikrichtung, sondern ein Lebensgefühl, eine Gemeinschaft. Treu, identitätsstiftend und generationsübergreifend. Tino ist in diesem Jahr zum dritten Mal gemeinsam mit seinem Vater Bernd angereist. "Ich bin Anfang des Jahres 60 geworden", sagt Bernd und nimmt einen kräftigen Schluck Bier aus seinem Humpen. "Mutti haben wir zu Hause gelassen."
Alexander hingegen hat seine Zukünftige zu Hause gelassen. Gemeinsam mit seinen Jungs feiert er einen Junggesellenabschied der besonderen Art. Der (noch) weiße Anzug, den er trägt, soll noch "kräftig eingesaut" und dann gewinnbringend auf der Hochzeit versteigert werden.
Die Männer sind in der Überzahl
Wacken ist wohl das einzige Festival, wo die Schlange vor den Männertoilette länger ist, als die bei den Frauen. Dennoch, einige Mädchen sieht man im Zuschauer-Meer von Metalheads auch, nur eben nicht auf der Bühne. Außer Doro Pesch gibt es kaum ein weibliches Gesicht in der Metal-Szene. Schade eigentlich, denn die Frauen, die man hier sieht, sind erfrischend anders. Meistens etwas molliger, tätowiert, schwarz gefärbt - alles andere als etwa eine Heidi Klum. Aber mutig und selbstbewusst: Sie lassen sich crowdsurfend durch die Menge tragen, headbangen im Takt und grölen ebenso laut wie ihre männlichen Kollegen.
Wacken? Das sind vier Tage mit 120 Bands, 75.000 Besuchern, jeder Menge Spaß und einem so positiven Gemeinschaftsgefühl, wie man es selten erlebt. Und am Ende des Tages tanzen alle selig zu den Klängen der dorfeigenen Blaskapelle.