Merkel verteidigt auf Dialogforum TTIP
20. April 2015Dass die Bundeskanzlerin sich öffentlich der Diskussion mit wichtigen NGOs stellt, das sei eine gute Sache. Ihr Ministerpräsident würde das nie tun, sagte Maude Barlow, die 67-jährige Grande Dame der kanadischen Globalisierungsgegner. Im Gegenteil, in ihrem Heimatland werde sie als Terroristin bezeichnet. Merkel versuchte, ihre Mimik unter Kontrolle zu halten, als sie das hörte. Doch ein kurzes überraschtes "Oh je" huschte dann doch über ihr Gesicht. Denn einen Dialog mit NGOs führt Kanzlerin Merkel schon seit Jahren. Auch wenn es dabei sehr unterschiedliche Meinungen gebe, das sei selbstredend, so Merkel - wie beim Thema Freihandelsabkommen und Investor-Schiedsgerichte. Barlow argumentierte, solche Abkommen dienten nur den Interessen der Milliardäre dieser Welt.
Merkel warnte davor, TTIP, Ceta und Co. zum "Teufel des Welthandels" zu machen. Deutsche Unternehmen hätten gute Erfahrungen mit solchen Schiedsgerichten gemacht, wenn es keine unabhängige Justiz vor Ort gegeben habe. Sie vermute bei vielen Kritikern eine generelle Abneigung. Sicherlich seien multilaterale Abkommen besser. Nur wenn die ganze Welt stattdessen Freihandelsabkommen abschließe, warum sollte Europa dann nicht auch versuchen, seine Standards zu verbreiten?
"Die wollen uns das Wachstum kaputt machen"
Auch zur - bei NGOs weit verbreiteten Kritik an der Wachstumsfixierung - äußerte sich Merkel deutlich: Man dürfe den eigenen Blick nicht generalisieren und müsse vielmehr andere Ansichten berücksichtigen. Ein Beispiel: Nach der Finanzkrise habe sie versucht, einen UN-Rat für nachhaltiges Wachstum ins Leben zu rufen. Gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer seien aber dagegen gewesen. "Was will die Frau, die will uns das Wachstum kaputt machen!", sei ihr entgegnet worden. "Jetzt wollen wir Wachstum, und da kommt ihr mit euren Nachhaltigkeitszielen."
Man müsse den Entwicklungsländern auch Wachstum zugestehen, so Merkel. Und Deutschland könne zeigen, dass BIP-Wachstum und Nachhaltigkeit auch zusammen funktionierten. Schließlich seien die Flüsse und Wälder in Deutschland gesunder geworden - trotz Wachstum.
Notfallplan für Krisen
So richtig viel entgegenhalten konnten oder wollten die Vertreter von Venro, dem deutschen Entwicklungshilfe-Dachverband, und dem Forum Umwelt und Entwicklung, Merkels Wortbeiträgen nicht. Beide Organisationen organisieren die Aktivitäten der deutschen Zivilgesellschaft zur G7-Präsidentschaft. Sie fordern mehr Gerechtigkeit auf der G7-Agenda, konkrete Beiträge zur Post-2015-Agenda der UN und Antworten auf die Krise neoliberaler Handelspolitik und die wachsende Ungleichheit. Die Forderungen blieben eher schwammig.
Merkel dagegen blieb ziemlich konkret. Die Welt brauche einen Notfallplan für Krisen wie Ebola. Darin müsse stehen, welche Aufgaben jedes Land in solchen Fällen zu leisten habe. Zusammen mit Ghana, Norwegen und der Weltbank versuche Deutschland derzeit, so etwas auf den Weg zu bringen. Eine international vernetzte Welt müsse besser auf solche Fälle vorbereitet sein.
Impulse für die Zukunft
Die Kanzlerin hatte für die NGOs kurzfristig eine halbe Stunde mehr Zeit als ursprünglich eingeplant. Die Zeit reichte trotzdem nicht. Auch weil dann noch Fragen aus dem Expertenpublikum im Saal zugelassen wurden. Zum Beispiel nach der Zukunft von Kohlekraftwerken in Deutschland. Ein Kohlekraftwerk im benachbarten Polen und verloren gegangene Arbeitsplätze in Deutschland, sei das wirklich eine Alternative, fragte Merkel? Zu Beginn der Veranstaltung hatte sich Merkel bereits zu einem anderen aktuellen Thema, der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer, geäußert und unter anderem den Kampf gegen die unmenschlichen Schlepperbanden betont.
Dem Treffen ging ein ähnliches Format mit Gewerkschaftern voraus. Folgen sollen Treffen mit Wissenschaftlern, der Wirtschaft, Jugendlichen und Frauen. Neben den klassischen Themen wie Finanzen und internationale Krisen soll im Rahmen der G7-Präsidentschaft eine breite Agenda entstehen, um positive Impulse zu geben, auch für die kommenden Jahre.