Mikroplastik im Meer
27. Februar 2015Wie schädlich ist es für Tiere und Menschen, wenn sich die in den Weltmeeren inzwischen reichlich vorhandenen Mikroplastik-Teilchen in Heringen, Langusten oder Muscheln anreichern? Wird dieser Zivilisationsmüll von den Tieren einfach wieder ausgeschieden oder lagert sich dieser im Gewebe ab und wird dann von uns Menschen mitgegessen? Um die Erkenntnisse zum Thema Mikroplastik voranzutreiben, hat das deutsche Forschungsministerium ein europaweites Programm gestartet und neun andere europäische Länder - Belgien, Frankreich, Irland, Italien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden und Spanien - mit ins Boot geholt. "Effektiv können wir nur grenzüberschreitend forschen", sagte die zuständige Ministerin Johanna Wanka am Donnerstag bei der Vorstellung dieses Programms in Berlin. Deutschland nehme darin eine Vorreiterrolle ein, so Wanka weiter.
Der Forschungsetat beträgt 7,5 Millionen Euro, davon kommen zwei Millionen aus Deutschland. Ziel der Initiative sollen Empfehlungen für die Kunststoff-Industrie, Regierungen und Konsumenten im Rahmen eines Aktionsplanes sein. "Das Thema soll dann auch auf die Tagesordnung der aktuellen deutschen G7-Präsidentschaft", kündigte Wanka an. Im Herbst werde dazu ein Treffen auf der Ebene der Wissenschaftsminister stattfinden.
Eine Plastikflasche "lebt" 450 Jahre
Plastik im Meer ist an sich nicht zersetzbar, erklärte Antje Boetius, Tiefseeforscherin und Mikrobiologie-Professorin an der Universität Bremen. Es gebe keinen natürlichen Abbauprozess. Einzig bekannt sei, dass Plastik von UV-Strahlen zerkleinert werde, was beispielsweise an der Meeresoberfläche bei Plastiktüten geschehe. Doch der Großteil sinke auf den Meeresboden, wo keine Sonne scheine. Eine Plastikflasche hat eine Lebensdauer von 450 Jahren, vermuten die Forscher.
International habe das Thema Mikroplastik in den vergangenen Jahren eine Aufwertung erfahren, berichtete Boetius. Es konkurriere dabei allerdings mit den anderen aktuellen Meeres-Themen wie der CO2-Anreicherung oder dem Anstieg des Meeresspiegels. So werde oft darüber gestritten, was im Moment am Schlimmsten sei. Die Situation für die Forscher in Europa sei auch aus dem Grund schwierig, weil die Krisenländer im Süden des Kontinents kaum noch finanzielle Mittel hätten. Doch es gelte, das Meer mitzudenken, forderte die renommierte Forscherin. Denn die Ozeane würden die Reststoffe aufnehmen. Es sei alarmierend, wenn man in der Arktis einen Eisklumpen in die Hand nehme und darin Plastikteilchen nachweisen könne, berichtete Boetius aus eigener Erfahrung.
Einheitliche Mess-Methoden fehlen
Von gegenwärtig fünf großen Müllstrudeln auf den Weltmeeren sprach die Meeresbiologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Ein Müllteppich im Nordpazifik, der sogenannte Great Pacific Garbage Patch, ist so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. Sie begrüße das Forschungsvorhaben, sagte Bergmann und nannte drei "brennende Fragen": Es fehlten standardisierte Mess-Methoden. Die Verteilung im Meer müsse besser erforscht werden und letztlich wisse man zu wenig darüber, was Plastik und beigefügte oder anhaftende Giftstoffe mit den Organismen machten. Es gelte auch, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Plastik, das über Abwässer ins Meer gelange, käme auch vom Waschen von Kleidung aus Chemiefasern - immerhin entstünden 1000 bis 2000 Mikrofasern pro Waschgang.
"Wir wissen genug und müssen jetzt handeln", kritisierte Thilo Maack von Greenpeace im DW-Interview. Bereits 2010 habe die UN einen 380-seitigen Forschungsbericht zum Thema Mikroplastik veröffentlicht. Auf einer Konferenz im April 2013 sei bereits die Forderung nach einem Aktionsplan laut geworden. Auch die EU-Kommission habe bereits konkrete Maßnahmen wie ein Verbot von Plastiktüten angeregt. Die sogenannten Microbeats seien in einigen US-Städten bereits verboten.